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1418 - Grabgesang der Geistermönche

1418 - Grabgesang der Geistermönche

Titel: 1418 - Grabgesang der Geistermönche
Autoren: Jason Dark
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und hörte auch nicht die Stimmen der Besucher. Michael Meier war in sich selbst versunken, wobei in seinen Augen ein beinahe schon überirdischer Glanz lag.
    Alles war so anders geworden. Er fühlte sich allein auf dieser Welt. Er und der Engel!
    Seine rechte Hand näherte sich der Jackentasche. Er hatte das Kreuz erst vor seine Brust hängen wollen, wie dieser Sinclair es getragen hatte, doch dann hatte er es sich anders überlegt. Es war auch bequemer, das wertvolle Stück aus der Tasche zu holen, als die Kette über den Hals streifen zu müssen.
    Er zitterte, als er das wertvolle Metall umschloss. Langsam zog er die Hand aus der Tasche und ließ die Faust für eine Weile auf seinem rechten Oberschenkel liegen.
    Es tat ihm gut, das Metall zu berühren. Er glaubte zudem, einen Strom zu spüren, der von dem Kreuz ausging und seine Hand erfasste. Es war für ihn wie ein kleines Wunder. Seine Lippen verzogen sich zu einem sehr weichen Lächeln.
    Langsam öffnete er die Faust…
    Frei lag das Kreuz auf seiner Handfläche unter der zusammengerollten Kette.
    Würde es reagieren? Würde es ihm den weiteren Weg zeigen, den er gehen musste?
    Das Kreuz zeigte keine Reaktion. Er hatte davon gehört, dass es aufleuchtete und manchmal sogar richtig strahlte, was aber nun nicht der Fall war.
    »Warum nicht?«, flüsterte er. »Warum zeigst du mir nicht, wie sehr du mich magst? Ich bin es, der Heilige Michael. Ich bin die Wiedergeburt des Engels. Das musst du doch spüren.«
    Nichts spürte das Kreuz. Es gab keine Reaktion, und die Lippen des Mannes bewegten sich, als wollte er im nächsten Moment anfangen zu weinen. Er glaubte nicht daran, dass sich das Kreuz gegen ihn gestellt hatte. Mit einem schon fanatischen Blick stierte er es an, sprach flüsternd mit ihm, ohne dass er eine Reaktion erzielte. Das Kreuz blieb, was es war.
    Trotz seiner Enttäuschung wollte Michael Meier nicht aufgeben. Er ging jetzt davon aus, dass die richtige Zeit noch nicht gekommen war. Es gab das Böse, das stand für ihn fest. Er wusste, dass es sich gern verborgen hielt, doch es kam immer wieder eine Zeit, in der es sich aus seinem Versteck hervorwagte.
    Das war die Dunkelheit. Das war die Nacht, denn diese Zeiten hatte das Böse schon immer ausgenutzt. Und hier lauerte es ebenfalls, auch wenn es nicht so aussah.
    Er musste nur warten. Egal, wie lange es auch dauern würde.
    Doch eines stand fest: Es würde erscheinen, und dann war er in der Vertretung des Erzengels da, um es zu vernichten…
    ***
    Es passte uns natürlich nicht, so lange zu warten, aber uns blieb nichts anderes übrig. Wir mussten uns den Gegebenheiten fügen, auch wenn sich die Zeit dehnte.
    Der junge Kollege hatte uns mit in seine Wohnung genommen und auch seiner Freundin Bescheid gegeben, dass Besuch auf sie wartete, wenn sie Feierabend hatte.
    Harry Stahl versuchte inzwischen mehr über die Vorfahren dieses Michael Meier herauszufinden. Er telefonierte mit dem Archivar und Geschichtsforscher der Stadt, der sich bereit erklärte, nachzuschauen. Er hatte auch nichts gegen einen Besuch einzuwenden.
    Dabei begleitete ich meinen deutschen Freund. Ich war alles andere als locker. Der Verlust des Kreuzes machte mir mehr zu schaffen, als ich zugeben wollte. Ich sprach nicht darüber, aber es war mir anzusehen, und auch Harry merkte, dass mit mir etwas nicht stimmte.
    »Du denkst immer an das Kreuz, nicht wahr?«
    »Und nicht nur daran. Ich frage mich wirklich, was dieser Michael Meier für ein Mensch ist.«
    »Ein Fanatiker!«
    Ich zuckte mit den Schultern und schaute dabei an den alten Fassaden der Häuser entlang, die die Fußgängerzone einrahmten.
    »Du meinst, dass er kein Fanatiker ist?«, fragte Harry.
    »Ich kann es dir nicht genau sagen, Harry. Klar, er kann ein Fanatiker sein, ein Irrer, ein seelisch gestörter Mensch. Jemand, der sich in etwas verrannt hat.«
    »Kein Dämon?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Er ist auch nicht dämonisch beeinflusst, denke ich.«
    »Und was denkst du über diese Wiedergeburt, von der er immer gesprochen hat?«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen.«
    Ein bunter Ball rollte auf mich zu, den ich zu den Kindern zurückkickte, die ihn falsch geschossen hatten.
    »Aber du bist auch wiedergeboren«, hielt er mir vor.
    »Schon. Nur war ich in meinen anderen Leben kein Engel oder Erzengel. Das darfst du nicht vergessen. Es gibt zwischen den Wiedergeburten schon Unterschiede.«
    »Okay, ich nehme das mal so hin.«
    »Für mich ist Michael Meier jemand,
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