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141 - Das trockene Meer

141 - Das trockene Meer

Titel: 141 - Das trockene Meer
Autoren: Ronald M. Hahn
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ihren Begleiter für einige dieser asozialen Elemente gehalten, die unsere Stadt dann und wann heimsuchen, um zu plündern.«
    Urla konnte das Gesicht des Unbekannten nicht sehen, denn er trug eine Kapuze. Wie unheimlich. Wo war sie hier? In wessen Hände war sie gefallen? War der Mann ein Mönch?
    Seine Kleidung ließ es vermuten. Seine Stimme klang jedenfalls sympathisch und warm. Dass er sie, eine kleine Söldnerin, siezte, deutete an, dass er eine gewisse Bildung genossen hatte. Er sprach sehr gestochen, wenngleich… Er hatte einen Akzent, den Urla nicht gleich einordnen konnte.
    »Wer sind Sie?«
    Der Vermummte lachte leise. »Wer sind Sie?«
    Urla nannte ihren Namen.
    »Ich bin… Dr. Schiwago.« Der Mann kicherte albern.
    »Woher kommen Sie?«
    »Aus Tscherskij.«
    Dr. Schiwago nickte. »Ja, ich erinnere mich. Die kleine Stadt an der Kolyma-Mündung. Ich wusste nicht, dass sie noch existiert. Als ich zum letzten Mal dort war…« Er winkte ab, als wolle er sich nicht gern daran erinnern. »Woher wissen sie von der Existenz dieser Stadt?«
    Urla, die urplötzlich den Eindruck hatte, dass es besser für sie war, mit ihrem Wissen nicht hinter dem Berg zu halten, erzählte es ihm.
    »Wer ist Ihr Begleiter, meine Liebe?«
    Auch dies erzählte Urla. Sie war überzeugt, dass es am besten war, wenn sie nichts verschwieg.
    »Wer sind die Männer, die kurz vor Ihnen in unsere Stadt kamen?«
    »Wie?« Urla verstand nicht. Dann dachte sie an Ygoor Saljakin und seine abscheulichen Freunde und ihr ging ein Licht auf. »Ich kann es nur vermuten…« Sie sprach ihre Mutmaßung aus.
    Als sie fertig war, klopfte jemand an die Tür. Dr. Schiwago bat ihn herein. Ein Vermummter trat ein, der sich nur in der Stimme von ihm unterschied.
    »Drei Eindringlinge sind tot«, meldete er. »Einen vierten haben wir gefasst. Einer befindet sich noch auf freiem Fuß.«
    »Hat er die Stadt verlassen?«
    »Vermutlich nicht. Wir bewachen das Tor.«
    »Wer ist der Flüchtling? Habt ihr ihn gesehen?«
    »Er ist ziemlich groß, sehr muskulös, mit einem Schießeisen bewaffnet und…« Der Melder zögerte. »Er hat zwei der Unseren getötet.«
    Die Beschreibung ließ Urla aufhorchen. Black? In ihrem Herzen machte sich leises Frohlocken breit.
    »Das klingt nach einer harten Nuss.« Dr. Schiwago wandte sich Urla zu. »Es tut mir Leid, meine Liebe, aber wir können unsere interessante Konversation im Moment nicht fortführen… ich muss mich um den gefangenen Eindringling kümmern.«
    »Wann sehen wir uns wieder?«, fragte Urla.
    »Oh…« Schiwago schaute sie an. »Wir werden uns noch oft sehen… bis an Ihr Lebensende.« Er verbeugte sich formvollendet, ging hinaus und gab zwei Vermummten, die nun im Korridor sichtbar wurden, einen Wink.
    »Bringt die Dame rauf. Und schließt sie ein. Ihr wisst ja: Ich habe Großes mit ihr vor…«
    ***
    Black hockte hinter der Balustrade einer überdachten Terrasse, lauschte dem Prasseln des Regens und verwünschte den Fakt, dass er sich mit Ygoor und dessen Kumpanen eingelassen hatte. Allein wäre es ihm bestimmt gelungen, in der unbewohnt wirkenden Stadt ein Versteck für sich und sein Reittier zu finden, um am nächsten Tag ausgeruht nach seinen Freunden zu suchen.
    Aber nein; er hatte sich den vom Pech verfolgten Lumpen angeschlossen! Nun hockte er in der Kälte und Nässe, besaß nur das, was er am Leibe trug und wartete auf bessere Zeiten.
    Die besseren Zeiten kamen eine Viertelstunde später, als in der Straße die Schritte eines sich seinem Standort nähernden Trupps ertönten. Black peilte vorsichtig über die Balustrade.
    Ein halbes Dutzend Vermummte schleppten jemanden, der allem Anschein nach besinnungslos war.
    Ygoor. Schau einer an, dachte Black. Mein Glück scheint sich zu wenden… Er wartete, bis die Prozession ihn passiert hatte, dann schwang er sich wie eine Katze über die Balustrade und heftete sich an die Fersen der Männer.
    Bald wusste er, wohin die mysteriösen Gestalten den Bewusstlosen schleppten: Ihr Weg endete an einem zentral liegenden Gebäude. Hinter den Fenstern im zweiten Stock flackerte ein Kaminfeuer. Die Vermummten brachten Ygoor ins Haus. Die eisenbeschlagene Tür fiel hinter ihnen ins Schloss.
    Black wartete eine Weile, dann umrundete er das Gebäude und suchte eine Möglichkeit, es ungesehen zu betreten. Auf der Rückseite existierte noch eine Tür, aber auch sie war solide gebaut und hätte ohne Lärm nicht geöffnet werden können.
    Blieb also nur der Weg durch ein Fenster
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