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136 - Im Schloss der Daa'muren

136 - Im Schloss der Daa'muren

Titel: 136 - Im Schloss der Daa'muren
Autoren: Stephanie Seidel
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finden, denn es war noch ein zweiter Mann unterwegs, grausam wie Tihomirs Wachen – und der nahm eine Abkürzung!
    »Es ist der falsche Weg!«, rief Florin der schönen Frau hinterher, doch sie lief einfach weiter, als hätte sie nichts mehr gehört. Hatte sie überhaupt etwas gehört? Florin blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Ein Leben war in höchster Gefahr!
    Der Junge rannte los. Florin war nicht klar, dass er seine Stofflichkeit verloren hatte, deshalb merkte er auch nicht, wie er sie jenseits der Geheimtür noch einmal zurückbekam. So schnell es ging, sprang er die Stufen herunter. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit.
    Tihomirs ehemaliger Fluchtweg lag hinter einer Zwischenwand versteckt, hatte keine Fenster gehabt und war auch heute noch bis auf Höhe des Burghofs völlig abgeschirmt.
    Dort erst, durch den gut getarnten Ausgang, kam frische Luft herein.
    Dort lag auch die Fackel, die der Fremde getragen hatte.
    Florin nahm sie auf. Er sah sich hastig um. Weder der Mann, noch die beiden Frauen waren irgendwo zu entdecken. Sie mussten ins Freie gelaufen sein, außerhalb der Burg! Florin überlegte kurz, ob er sie suchen sollte. Doch er verwarf den Gedanken. Etwas sagte ihm, dass seine Zeit nicht reichen würde. Also lief er weiter – die engen, düsteren Gewölbetreppen hinunter.
    Dann erreichte er das Burgverlies.
    Florin merkte, dass seine Schritte immer langsamer wurden und er selbst immer schwächer. Er hatte das Gefühl, durch unsichtbares Wasser zu waten, das sehr schnell anstieg und sich mit wachsender Macht gegen ihn stemmte – als ob es verhindern wollte, dass er sein Ziel erreichte.
    Sein Ziel, das war ein kleines todgeweihtes Mädchen. Es lag zusammengerollt in der hintersten Ecke einer Gefängniszelle, auf schmutzigem Stroh, und es zitterte vor Angst noch im Schlaf. Blondes Haar schimmerte aus dem Dunkel.
    Florin kämpfte sich vorwärts, Schritt für Schritt, bis er Anns Gefängnis erreicht hatte. Die Fackel wurde zu schwer für ihn.
    Er schaffte es, sie zwischen die Gitterstäbe zu klemmen, dann sanken seine Arme herab. Florin zwang sie wieder hoch: Durch das Mauerloch waren Geräusche zu hören! Jemand stapfte über den Burghof!
    Die Zellentür war mit einem Strick gesichert. Das kleine Mädchen reichte nicht heran, sie konnte den Knoten nicht lösen. Florin konnte es. Doch er musste sich beeilen, wenn er Annies Leben retten wollte. Als er seine Hand ausstreckte, war sie schon durchsichtig.
    Ich werde es schaffen!, dachte er verbissen. Mit letzter Kraft packte er zu, löste den Knoten – und öffnete die Tür.
    Florin trat zurück. Er lächelte, als aus der Dunkelheit eine weiße Eule heran kam; auf lautlosen Schwingen und mit leeren Augen. Sie zerfloss unterwegs in Schleiern aus Licht, die den Jungen sanft umhüllten, bis der Tod ihn mit sich fortnahm.
    Endgültig diesmal, denn Florin Ivanescu hatte sein Versprechen erfüllt.
    ***
    Anns Welt
    »Töten! Töten!«, stieß Boogan unentwegt hervor. Der Karpatenjäger hatte günstig an der Treppe nach oben gestanden, als die Furcht erregende wilde Barbarin mit dem blitzenden Schwert durch die Küchentür kam. Sein Weib hatte ihn zufällig verdeckt, und das konnte nur ein Zeichen der Götter gewesen sein! Sie wollten, dass Boogan weiter lebte.
    Also hatte er sich zurückgezogen, denn den Göttern musste man gehorchen. Außerdem war Kalina eine schlagkräftige Frau. Sie kam alleine klar, da hätte er nur im Weg gestanden.
    »Töten!« Boogan verzog das Gesicht. Die Wilde hatte Kalina einen Kinnhaken verpasst und seinen Sohn kastriert.
    Zumindest hatte Arpad so geheult, als wäre ihm alles zertreten worden. Und Nicu, der kleine Versager, hatte gar nichts getan!
    Nur seine dumme Schwester festgehalten und geplärrt, die Wilde solle ihr nichts tun.
    Boogan seufzte. Er war ein geschlagener Mann mit solch einer Familie! Deshalb hatte er sie auch nicht aus dem Schafstall befreit. Sie sollten ruhig ein bisschen darüber nachdenken, wie unfähig sie waren!
    »Töten! Töten!« Boogan stapfte durch den Innenhof der Burg, eine Fackel in der Hand und seine Axt am Gürtel. Der Siil hatte ihm einen Befehl erteilt, und den wollte Boogan unverzüglich ausführen.
    Er kam an einem Mauerloch vorbei. Dahinter lag das Verlies. Gehässig schrammte er mit dem Fuß über den Boden.
    »Töten! Töten!«
    ***
    Ann erschrak, als kalte Flocken und Steinchen in ihr Gesicht fielen. Sie setzte sich auf und rieb sich die Augen. Es dauerte einen Moment, bis der ganze Schlaf
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