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1328 - Die Harmonie des Todes

Titel: 1328 - Die Harmonie des Todes
Autoren: Unbekannt
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ein übriges, indem er feinfühlig Akzente setzte.
    Lauter, dachte er, sie mußten lauter singen! Sogleich nahm der psionische Druck ihres Vertrags zu, als bestünde zwischen Singlehrer und Schülern eine telepathische Verbindung. Manchmal überlegte Salaam Siin, ob dem nicht tatsächlich so war... Aber nein, er mußte die Dinge rational betrachten, nicht emotional.
    Mit einem letzten Akkord ließ er den Gesang der Heraldischen Tore von Siom Som verklingen. Er war sicher, daß die Belku namtal dieses Niveau nicht erreichen konnte. Die Frage war nur - reichte es, den Abstand vom letzten Mal zu egalisieren?
     
    *
     
    Der Vortrag der Belku namtal begann ungewöhnlich verhalten. Es war eine völlig neue, fremdartige Melodie, wie man sie auf Mardakaan noch nie gehört hatte. Kaleng Proo hatte also eine weitere Überraschung zu bieten - und Salaam Siin hoffte, daß sie wie das übrige Repertoire der Belku namtal an Präzision zu wünschen übrig ließ.
    Seine Hoffnung wurde erfüllt. Aber erstmals in seiner Erfahrung brachte eine Singschule das Kunststück zustande, einen ehrenden Gesang mit voller suggestiver Durchschlagskraft zu paaren. Kaleng Proos neuer Satzgesang pries in allgemeiner Form den Krieger Ijarkor, seine Taten und Werke ... und strahlte ganz nebenbei eine fast magische Kraft aus.
    Salaam Siin fühlte, wie sich ein euphorisches Gefühl seiner zu bemächtigen drohte.
    Unwillkürlich stimmte er einen der summenden Wehrgesänge an, wie er sie auch seinen Schülern beigebracht hatte. Aus den Reihen hinter ihm vernahm er gleichfalls den charakteristischen Summton - er schaute sich um und sah, daß alle anwesenden Mitglieder der Nambicu ara wada einen Abwehrblock bildeten.
    Zumindest darum mußte er keine Sorge haben.
    Der erste Satz des neuen Gesangs endete so verhalten, wie er begonnen hatte. Aber Salaam Siin fühlte, daß die Melodie trotz aller Wehrgesänge etwas in ihm angerichtet hatte. Handelte es sich dabei etwa um einen der verbotenen Gesänge? Um eine der vergessenen Chromatiken, die aus gutem Grund niemals weitergegeben wurden? Salaam Siin schauderte. Er selbst kannte ja einen dieser Gesänge, den Gesang des Todes, der in ophalischer Sprache Nambaq siwa hieß.
    Der zweite Satz begann mit einer schrillen Dissonanz. Alle Sänger der Nambicu ara wada zuckten zusammen, als habe die Tonkombination etwas in ihnen zerrissen. Wo bisher ausschließlich Ijarkors Ehre Thema gewesen war, ging es nun um die Lehren des Permanenten Konflikts, insbesondere um den Kampf. Salaam Siin erschauerte unter einer schrecklichen, noch diffusen Ahnung. Ehre, Kampf, Gehorsam - so lautete die Reihenfolge des Estartischen Prinzips, wie es ihm und vielen anderen Intelligenzwesen verhaßt war.
    Die Dissonanz wuchs sich zu einem psionischen Sturm aus, der vor allem zur Nambicu ara wada hin gerichtet war. Natürlich saßen auch die Mitglieder der Jury im Brennpunkt.
    Aber gerade von diesen Meistersingern wurde erwartet, daß sie jedem ophalischen Chor standhielten.
    Ehre, Kampf, Gehorsam - und Tod!
    „Hör auf, Kaleng Proo!" schrie Salaam Siin unter vollem Einsatz seines Membrankranzes. Er hatte plötzlich glasklar erkannt, daß der zweite Satz dieser fremden Melodie tödlich sein würde. Sie hatten es mit einem Mordanschlag auf mehr als tausend Sänger zu tun, ermöglicht und gefördert durch den Permanenten Konflikt, dem sie alle dienten!
    „Hör auf, Kaleng Proo!"
    Salaam Siin drang nicht durch. Er mußte jetzt alle Konzentration in seinen Wehrgesang legen und neutralisieren, was ankam. Andernfalls würden die Sänger der Belku namtal seinen Schild zerschlagen und ihm - irgendwie! - eine tödliche Wunde beibringen. Was war mit seinen eigenen Schülern? Er fuhr herum. Ein kurzer Blick zeigte ihm, daß alle Mitglieder der Nambicu ara wada noch auf den Beinen waren. Einige schwankten bedenklich, aber Salaam Siin spürte genau, wie ihre Membrankränze den Wehrgesang hervorbrachten.
    „Kaleng Proo! Hör auf!"
    Es nutzte nichts. Salaam Siin beobachtete wie durch einen Schleier, daß die Mitglieder der Jury zu zittern begannen und langsam beiseitewichen. Selbst die Meistersinger... Ihm und seinen Schülern stand dieser Ausweg allerdings nicht offen. Noch schloß der Schutzschirm das Wettkampfareal hermetisch ab, und er würde schon aus Gründen der Ehre nicht geöffnet werden, bevor eine von beiden Schulen den Sieg davongetragen hatte.
    „Hör auf, hör auf! Kaleng Proo!"
    Beim letzten Wort fand er nicht einmal mehr genügend Kraft,
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