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1302 - Die Geisterfalle

1302 - Die Geisterfalle

Titel: 1302 - Die Geisterfalle
Autoren: Jason Dark
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den Mund. Jane und ich machten es uns bequem. In der Nähe standen noch weitere Sessel, und wir warteten voller Spannung ab, bis Sarah die Tasse geleert und auf einem kleinen Tisch abgestellt hatte.
    Die Horror-Oma sprach noch nicht. Sie musste sich erst sammeln.
    Beide Hände legte sie aufeinander, schaute uns an und versuchte ein Lächeln.
    »Ihr habt euch bestimmt Sorgen um mich gemacht«, flüsterte sie, »aber was ich euch jetzt sage, das stimmt. Das müsst ihr mir einfach glauben, auch wenn es ungeheuerlich ist.«
    Sie legte eine Pause ein, und wir schauten ihr gespannt ins Gesicht. Es zeigte jetzt einen gequälten Ausdruck, und sie musste sich wieder sammeln. »Ich bin nicht aus einem Traum erwacht, obwohl es mir so vorgekommen sein mag, was ich in den frühen Morgenstunden erlebt habe. Aber es entspricht der Wahrheit. Es ist alles echt, ich spinne nicht.« Sie atmete tief ein und nickte uns zu.
    »Ja, ich spinne nicht.«
    »Wir haben doch nichts gesagt«, meinte Jane.
    »Aber ihr habt so ausgesehen.«
    »Rede einfach weiter«, schlug ich vor.
    »Ja, ja, wenn das so einfach wäre.« Sie musste sich räuspern und suchte nach den richtigen Worten, die sie nicht fand, denn wieder glitt ihr Blick ins Leere.
    »Also, es ist so«, sagte sie schließlich und senkte dabei den Kopf.
    »Ich habe jemanden in den frühen Morgenstunden gesehen, und zwar hier im Haus.«
    »Ein Einbrecher?«, fragte Jane.
    Lady Sarah lachte auf. »Wenn es das mal gewesen wäre. Nein, das war kein normaler Einbrecher…«
    Wieder musste sie eine Pause einlegen.
    »Wer war es dann?«
    Lady Sarah schaute mich an. »Ein Mann, einer der schon längst tot ist. Einer, den ich kenne.«
    »Ach!«
    »Den ich sogar genau kenne. Denn es war Arthur Goldwyn, mein letzter und längst verstorbener Gatte…«
    ***
    Robin Dunn tat nichts. Er kannte sich selbst nicht mehr. Er wusste nicht, ob er sich als Mensch fühlen sollte oder als ein Roboter, als eine Person ohne Seele, denn die war ihm genommen worden. Zusammen mit seinem Fühlen, Handeln und Begreifen.
    Er sah es, und es wollte ihm trotzdem nicht in den Kopf. Ein Mensch in der Mauer. Ein lebendiges Wesen. Etwas, das sich bewegte oder nur eingeklemmt war?
    Er schaffte es nicht, seine Gedanken zu kontrollieren. Dann riss der Vorhang. Er dachte wieder einigermaßen klar und musste sich eingestehen, keinen Traum zu erleben. Er stand in der Wirklichkeit und schaute auf das Unfassbare.
    Mit dem Vogel hatte es begonnen. Er war von der Mauer verschluckt worden, und nun ging es mit einem Menschen weiter, der allerdings nicht in die Mauer eingedrungen war, sondern sich schon darin befunden hatte. Er stand da, er bewegte seine Schultern, die Arme gleich mit, aber er rührte sich nicht von der Stelle. Das starke Gestein umschloss ihn wie ein Panzer. Er hätte es erst aufbrechen müssen, um die Mauer zu verlassen oder sich in ihr zu bewegen.
    Robin stöhnte auf. Die Lippen hielt er fest zusammengedrückt. In seinem Gesicht zuckte es. Er schüttelte auch den Kopf, und schlagartig überkam ihn das Gefühl, das er nur mit dem Ausdruck hilflos umschreiben konnte.
    Ja, er war hilflos. Er schaffte es nicht, die Dinge in die Reihe zu bringen. Es gab keine Logik. Aber es gab eine Folge. Da war die Mauer entstanden, gebaut worden oder was immer, und in ihr befand sich diese Gestalt.
    Normalerweise okay, hätte dieses Projekt in einem Museum gestanden oder auf einer Kunstmesse. Es gab immer bestimmte Künstler, die neue Dinge ausprobierten, aber es hatte sie vor einer Woche hier nicht gegeben, und er konnte sich auch nicht vorstellen, dass jemand sie gebaut hatte. Nicht einfach so. Nicht ohne Grund.
    So etwas gab es nicht.
    Er stand vor dem Gebilde wie jemand, den man abgestellt hatte, um ihn später wieder abzuholen.
    Allmählich kamen ihm auch die Einzelheiten zu Bewusstsein. Er erlebte die Farbe der Mauer. Sie sah blau aus und nicht grau. Es gab die helleren Einschlüsse darin, doch dieses Muster war willkürlich angelegt worden. Für ihn ergab es keinen Sinn.
    Und ihm fiel noch etwas auf. So klar er die Mauer auch vor sich sah, bei genauem Hinschauen waren Nebelstreifen zu sehen, die das Gebilde umflorten. Nur sehr schwach, aber er hatte sich nicht getäuscht. Es gab sie. Sie umwallten die Mauer. Lautlose Fahnen, die sich von einer Seite zur anderen zogen.
    Nebel? Echter Nebel? Das wusste er nicht. Er musste näher an das Gebilde herangehen.
    Er blieb davor stehen.
    Er sah den Mann im Gestein. Der Körper war nackt, und
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