Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1266 - Schleichende Angst

1266 - Schleichende Angst

Titel: 1266 - Schleichende Angst
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
darum kümmerte ich mich jetzt nicht.
    Ich machte weiter!
    Der letzte verdrehte Knoten!
    Plötzlich war der junge Mann frei. Er kippte nach vorn und wäre in die Flammen gefallen, wenn ich ihn nicht im letzten Moment gepackt und herumgerissen hätte.
    So fiel er zur Seite und landete in meinen Armen. Ich hatte viel Kraft verloren und konnte sein Gewicht nicht mehr halten. Es drückte mich nach hinten. Beide fielen wir zu Boden. Stan landete auf mir, aber so konnten wir nicht liegen bleiben, obwohl ich es gern gewollt hätte, da auch mich die Schwäche erwischt hatte.
    Ich stieß ihn von mir, stand keuchend auf, ignorierte den Schwindel, bückte mich, umfasste seine Handgelenke und zerrte ihn weiter. Weg vom Rauch, dorthin, wo die Luft klarer war.
    Ob er noch lebte, wusste ich nicht. Jedenfalls hatte ich mein Bestes getan, aber der Qualm hatte mein Gehirn nicht vernebelt, es gab noch die beiden Frauen.
    Sie lagen nicht mehr dort, wo sie eigentlich hätten liegen müssen. Im ersten Augenblick war ich überrascht, dann lief ich zur Seite, um den Platz vor dem Scheiterhaufen zu überblicken.
    Da standen sie.
    Beide schauten in die Flammen hinein. Beide hielten ihre Arme angewinkelt und die Hände in den Haaren vergraben. Sie brüllten, sie zuckten mit ihren Leibern. Sie schrieen auch, als der Rauch sie erreichte, und ich hörte wieder die Stimmen in meinem Kopf.
    Aber sie galten nicht mir. Die geisterhaften Befehle galten den beiden Frauen.
    »Enttäuscht, wir sind enttäuscht! In die Flammen! Los, in die Flammen!«
    Sie mussten das Gleiche hören wie ich, das entnahm ich ihren Reaktionen. Beide ließen die Arme sinken, und dann rannten sie vor. Es gab nur ein Ziel für sie, und das war der Scheiterhaufen.
    Ich war zu weit weg, um sie noch stoppen zu können. Das Reisig stand jetzt voll in Flammen und hatte auch seinen größten Hitzewert erreicht. Vielleicht schafften es meine Schreie, sie von ihrem Tun abzuhalten. Was immer sie auf dem Gewissen hatten, letztendlich waren es Menschen, denen geholfen werden musste.
    Schrie ich?
    Ich dachte es, aber der Rauch hatte auch meine Kehle ausgedörrt und so drang kein Schrei aus meinem Rachen, sondern nur ein Krächzen, das außer mir niemand hörte.
    Die Frauen fassten sich an den Händen.
    In meinem Kopf kreischten die Stimmen aus dem Jenseits.
    »Wir kommen…!«
    Zwei Stimmen, ein Schrei, und noch in der gleichen Sekunde starteten sie. Ich dachte noch daran, sie durch Kugeln zu verletzen und dadurch aufzuhalten, aber sie waren zu schnell.
    Zwei Selbstmörderinnen rannten in den Scheiterhaufen hinein und blieben in dessen Mitte, an der heißesten Stelle stehen, wo sie sich umarmten, um gemeinsam in den Tod zu gehen.
    Die Flammen bekamen neue Nahrung. Ich konnte nichts mehr tun. Längst hatte das Feuer die Kleidung erwischt. Lichterloh brannten die Haare, aus denen Funken stoben. Ich hörte auch keine Schreie mehr und glaubte dann, im Feuer drei verzerrte Frauengesichter zu sehen, ein Gruß aus einer für Menschen nicht sichtbaren Welt.
    Es gab keine Stimme mehr, die in meinem Kopf schrillte. Ich hörte nur das Fauchen des Feuers, das in seinem Zentrum noch einmal Nahrung erhalten hatte.
    Durch Rauch und Flammen gelang mir ein letzter Blick auf die verbrannten Gesichter der Frauen.
    An ihnen rann die Haut entlang wie dunkle Soße, ich glaubte auch, weiße Augäpfel zu sehen, aber da konnte ich mich auch irren.
    Zusammen mit einem lodernden Reisigbündel brachen die Frauen zusammen in das große Auge der Glut. Der Funkenregen wirbelte in die Höhe und wurde dabei von einem Schweif aus Qualm begleitet.
    Auch für mich war die Hitze unerträglich geworden. Ich drehte mich um und lief weg.
    ***
    So gut wie möglich half ich dem Verletzten. Seine Haut war stark in Mitleidenschaft gezogen worden.
    Ich hatte die Feuerwehr alarmiert, den Notarztwagen ebenfalls und auch die Kollegen.
    Wichtig war, dass Stanley Shaw wieder normal atmete. Er hatte zu viel Rauch eingeatmet. Er brauchte Sauerstoff. Ich versuchte es auch mit einer Mund-zu-Mund-Beatmung und war mehr als froh darüber, dass sein Herz noch schlug.
    Dann ging ich ein Stück des Wegs zurück und blieb dort stehen, wo Sally Corner lag.
    Sie hatte überlebt, aber sie würde sich auch für die Taten der anderen beiden Frauen verantworten müssen. Was die Richter für ein Urteil fällten, wenn sie die Schuld auf die Freundinnen schob, das wusste ich jetzt noch nicht. Ich hoffte nur, dass sie eine angemessene Strafe erhielt.
    Mühsam
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher