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1255 - Böser schöner Engel

1255 - Böser schöner Engel

Titel: 1255 - Böser schöner Engel
Autoren: Jason Dark
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normalen Wege ist Jamina nicht zu retten. Wir müssen den Engel holen. Der wird sie heilen.«
    »Ja, das hoffe ich. Und was ist, wenn er nicht will?«
    »Darüber solltest du nicht nachdenken. Tamara wird nicht ohne Grund als Engel bezeichnet, und ich denke, dass Engel gute Geschöpfe sind.«
    Die Mutter stimmte durch ihr Nicken zu. Sie wusste nicht mehr, was sie noch sagen sollte. Mit leerem Blick schaute sie zu, wie sich die Ärztin von ihrem Platz erhob, einmal durch das dichte braune Haare der Dreißigjährigen strich, sich abwandte und den Raum mit leisen Schritten verließ. Es war nicht mal zu hören, dass die Haustür zufiel. Wie ein Geist war die Ärztin verschwunden.
    Svetlana Tomkin blieb allein zurück. Es war plötzlich so still und leer in dem kleinen und mit alten Möbeln überladenen Zimmer geworden. Auch so kalt und unheimlich, als hätte der Tod persönlich bereits beide Hände ausgestreckt, um sich das Mädchen zu krallen.
    Er war da. Die Frau spürte es. Die Krankheit ihrer Tochter hatte sie sensibel für bestimmte Dinge werden lassen, denn immer wieder hatte sie sich in der letzten Zeit mit den schrecklichen Dingen auseinander setzen müssen, die den Abschied für immer bedeuteten.
    Ausgerechnet Jamina. Ausgerechnet sie. Svetlana hatte sie immer als ihren Engel angesehen. Sie hatte sich um sie gekümmert und sie großgezogen. Einen Vater gab es nicht mehr. Er war Soldat in der Armee gewesen und in einem anderen Land gefallen. Seine Tochter hatte er erst gar nicht zu Gesicht bekommen.
    Jamina war ein fröhliches und wunderschönes Kind. Bei allen beliebt. Sie war auch in der Schule gut mitgekommen, und nun passierte dies. Die verfluchte Krankheit hatte sie erwischt und nicht mehr losgelassen. Es war in den letzten Wochen ein regelrechtes Siechtum gewesen, das sich ihre Mutter nicht hatte erklären können. Aber es war so gewesen, und daran hatte sie nichts ändern können.
    Und jetzt die Rettung!
    Svetlana schluckte. Sie konnte es noch nicht glauben. War es wirklich die Rettung für ihre Tochter?
    Sie musste daran glauben, aber es fiel ihr nicht leicht.
    Andere Menschen hatten von einem Engel gesprochen, der auf die Erde gekommen war, um seine Zeichen zu setzen. Er sollte die Menschen aufrütteln und sie dazu bringen, sich anders zu verhalten.
    Was nun stimmte, wusste sie nicht, aber es hatte sich in der Gegend um Moskau herumgesprochen, dass es jemanden gab, der den Menschen wohlgesonnen war und sie heilte, wenn die Kunst der Ärzte versagte.
    Auch Svetlana wusste davon, aber sie hatte sich nie darüber Gedanken gemacht, bis eben zu dem Zeitpunkt, an dem ihre Tochter krank geworden war.
    Da war es nun passiert. Und jetzt hatte ihr sogar die Ärztin den Rat gegeben, sich auf Tamara zu verlassen, von der niemand wusste, woher sie kam und wohin sie wollte. Sie stand völlig außen vor. Sie war ein Mensch oder ein Geist. Ein Engel, eine Tote, eine Lebende, eine Heilige. Das alles schrieb man ihr zu.
    Svetlana brauchte mehrere Minuten, um sich zu einer Entscheidung durchzuringen. Als das geschehen war, stand sie mit einem Ruck auf. Nebenan im Zimmer lag ihre Tochter. So sehr Svetlana sie liebte und immer gern angeschaut hatte, so stark wurde ihr Herzklopfen, als sie sich jetzt der braun gestrichenen Tür näherte. Sie passierte dabei das Heiligenbild an der Wand, warf ihm einen flehenden Blick zu und öffnete wenig später leise die Tür zum Zimmer ihrer Tochter.
    In den letzten Tagen hatte sie stets das Gefühl gehabt, dass Jamina nicht allein im Raum war. Es hielt sich immer jemand in ihrer Nähe auf, den sie allerdings nicht sah. Nur in ihren Träumen sah sie die grässliche Gestalt des Sensenmanns, der sich über das Bett ihrer Tochter gebeugt hatte und seine mörderische Waffe in die Brust der Kleinen stieß.
    Es war nie dunkel in der kleinen Kammer. Selbst in der Nacht ließ sie das Licht der kleinen Lampe auf dem schmalen Tisch brennen. Es war nicht zu hell, denn ein Schirm aus Pergament filterte einen Teil des Lichts. Allerdings breitete es sich so aus, dass es auch das Bett erreichte, in dem das schwer kranke Mädchen lag.
    Ja, Jamina lag da wie immer. Wie am letzten Tag, wie vor einer Woche, und wieder bekam die Mutter eine Gänsehaut, als sie mit einem längeren Schritt die Schwelle übertrat. Ihr Herz klopfte schneller.
    Abermals spürte sie die Echos im Kopf und merkte auch das Zittern in ihren Gliedern. Sie war die Mutter, doch wie so oft kam sie sich vor wie eine Fremde, weil auch die
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