Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
123 - Auf dem Insektenthron

123 - Auf dem Insektenthron

Titel: 123 - Auf dem Insektenthron
Autoren: Susan Schwartz
Vom Netzwerk:
Wahnsinn verurteilt, oder körperlich deformiert. Um den Traum nicht zu gefährden, musste ich sie tilgen. Ich bewahrte die Welt vor großem Unglück.«
    Mit fahriger Geste wischte sich Matt über die Augen. Seine Sicht hatte sich getrübt, wie Spinnweben, die er wegfegen wollte.
    »Es war ein langer, oft schmerzhafter Prozess. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, wenn dein Inneres sich umwandelt und sich festigt, wenn du spürst, wie dich der Außenpanzer einschnürt, dich erstickt…«
    »Was… was ist dein Traum?«, lallte Matt.
    »Eine neue Spezies, Maddrax. Eine Symbiose zwischen Mensch und Insekt. Eine Lebensform, die alle Vorzüge perfekt in sich vereint und die die Welt neu gestalten wird, nach ihrem Vorbild. Es wird Frieden herrschen. Wir werden Eins sein. Und ich werde sofort damit beginnen.«
    Matt spürte Finger wie Spinnenbeine über sich gleiten, fühlte die Nähe eines Wesens, das wie eine Frau aussah, aber nicht… die Wärme besaß.
    Der Überfluss des starken Geruchs wurde ihm plötzlich zu viel, bekam einen schalen, faulen Beigeschmack. So wie man sich an einer Lieblingsspeise überfrisst und dann Übelkeit empfindet, wenn man nur daran denkt, wurden jetzt seine Sinne überreizt und die Wirkung schlug ins Gegenteil um.
    Matt merkte, wie sein Magen revoltierte. Schlagartig klärten sich sein Verstand und sein Blick. Er bekam die Herrschaft über seinen Körper zurück. Mit schnellem Griff packte er die Arme der Frau und schob sie zurück.
    »Nein«, sagte er. »So läuft das nicht.«
    Ch'zzarak leistete keine Gegenwehr. Ein erstaunter Ausdruck zeigte sich auf ihrem Gesicht. »Aber so muss es sein…«
    »Nein, Ch'zzarak. Du hast dich nicht nur äußerlich verwandelt, dessen musst du dir bewusst werden«, sagte Matt.
    »Bevor du aus dir eine neue Lebensform erschaffen kannst, musst du lernen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Bisher kennst du nur eine Variante, die der Insekten. Aber jetzt bist du ein Mensch. Du musst lernen, wie einer zu denken und zu handeln.«
    »Wir sind Mann und Frau«, erwiderte Ch'zzarak. »Ich bin reif. Wir sollten uns fortpflanzen. Spürst du es denn nicht?«
    »Ich spüre die Wirkung deiner Pheromone. Aber die Zeugung ist bei uns mehr als nur ein Akt, Ch'zzarak. Dazu gehört mehr, viel mehr.« Matt überlegte, wie er es dem Wesen erklären konnte. »Ein Mensch zu sein, bedeutet eine Menge Facetten. Gefühle. Verstand. Individualität.«
    »Indi… was?«
    »Einzigartig zu sein. So wie du es bist. Kein Mensch gleicht dem anderen, kein Mensch träumt denselben Traum. Jeder ist auf seine Art einzigartig. Hast du das denn nicht gelernt in den vergangenen Jahren, seit du die Menschen in der Siedlung gefangen hältst?«
    »Ich halte sie doch nicht gefangen«, protestierte Ch'zzarak.
    »Ich sorge gut für sie, genauso wie für mein Volk. Alles was du sagst, will ich ja lernen, und das kann ich nur von ihnen.«
    Matt schüttelte den Kopf. »Das ist der falsche Weg, Ch'zzarak. Du nimmst den Menschen die Freiheit. Sie haben das Recht dazu, frei zu entscheiden, ob sie bleiben oder gehen. Ob sie sich deinem Willen unterwerfen oder nicht. Du erfährst keineswegs alles über das Menschsein, wenn du sie unterdrückst. Du hast diese Menschen auf die primitivsten, instinktivsten Verhaltensweisen im ständigen Überlebenskampf reduziert. Das hat aber nur Degeneration zur Folge. Es ist alles sehr viel komplexer, als du aus deiner Sicht annimmst.«
    Ch'zzarak rieb sich nachdenklich die Stirn. »Ich war immer für sie da…«
    »Sie fristen ein elendes Dasein, bitte glaub mir das. Sie haben Angst, sind ständig am Rande des Hungers. Zwischen Menschen und Insekten ist eine tiefe Kluft, die du nicht allein dadurch überwinden kannst, indem du eine Metamorphose durchläufst und unser Aussehen annimmst. Du musst begreifen, wie verschieden wir sind.«
    Die Frau ging zurück zum Thron und kauerte sich dort hin, in grübelnder, nicht herrschender Pose. »Aber ich meinte es nicht böse.«
    »Das weiß ich, Ch'zzarak«, sagte Matt behutsam. »Ich sehe in deiner Entwicklung auch eine großartige Möglichkeit, ein Bündnis zwischen unseren beiden Völkern einzugehen. Aber nicht auf die Art, wie du es vorhast, indem wir miteinander verschmelzen. Bis es so weit ist, müssen wir erst voneinander lernen, einander verstehen, aufeinander zugehen. Dazu vergehen noch einmal Jahrhunderte.«
    Ch'zzarak schwieg. Dann sagte sie: »Ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Viele betrachten uns immer noch als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher