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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter
Autoren: Pete Smith
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Zeit angelangt«, begann er. »Unser Gedankenspiel bezog sich auf eine Reise in die Zukunft. Ich habe Ihnen aufgezeigt, dass unsere heutige Zivilisation – abgesehen davon, dass sie gar nicht über die entsprechende Technologie verfügt – noch nicht einmal von der Energieaufbringung her in der Lage wäre, Lichtgeschwindigkeit zu erreichen oder ein Wurmloch zu öffnen und als Zeittunnel zu nutzen.« Er räusperte sich bedeutungsvoll. »Ganz und gar unmöglich ist eine Reise in die Vergangenheit. Das schließt auch künftige Zivilisationen ein. Denn auch die schlausten Köpfe haben keinen Weg gefunden, die Chronologieschutzthese zu knacken. Weiß jeder damit etwas anzufangen?«
    Einige nickten. »Ja, Luk?«
    Der Junge mit dem Pferdeschwanz hatte die Hand gehoben. »Nach der Chronologieschutzthese wirken die Gesetze der Physik so zusammen, dass Zeitreisen makroskopischer Objekte in die Vergangenheit verhindert werden«, dozierte er, wobei sich seine vom Stimmbruch gereizte Stimme mehrmals überschlug.
    »Makroskopische Objekte«, äffte ihn eine Schülerin nach.
    Einige kicherten. Andere bedachten den Angesprochenen mit Wörtern wie »Schlaufurz« oder »Klugscheißer«. Nelson beobachtete, wie Luk sich auf seinem Stuhl versteifte. Das Mädchen, eine blondzopfige Brillenträgerin mit lila Strickjacke, beugte sich zu ihrer Nachbarin und flüsterte ihr etwas ins Ohr, woraufhin diese hysterisch zu kichern begann.
    »Ich muss doch bitten!«, schritt Professor Winkeleisen ein und klopfte aufs Pult. »Was uns Luk sagen will: Die Gesetze der Physik weisen in die Zukunft. Oder anders ausgedrückt: Ein Glas, das einmal auf den Boden gefallen und zersprungen ist, kann nicht zurückspringen und sich wieder zusammensetzen.«
    Die Brillenträgerin tuschelte noch immer.
    »Also gut, Maria«, erklärte Professor Winkeleisen, »Sie können uns sicher erläutern, weshalb auch die Gesetze der Logik einer Zeitreise in die Vergangenheit widersprechen.«
    Die Brillenträgerin hörte abrupt auf zu lachen. Blut schoss ihr ins Gesicht, bis ihre Wangen den Farbton ihrer Strickjacke angenommen hatten.
    »Nun«, beharrte Winkeleisen und wandte sich der Klasse zu, »hat einer eine Idee?«
    Nelsons Gedanken schweiften ab. Er wusste, was jetzt kam, und es langweilte ihn. Großvater-Paradoxon, Informations-Widerspruch, die Besucher-Theorie – das hatte er alles schon tausend Mal gehört oder gelesen, doch überzeugt hatte es ihn nie. Er merkte, wie sich Enttäuschung in ihm breit machte. Nur: Was hatte er denn erwartet? Dass sein Lehrer seine Überzeugung teilte und behauptete: Ja, Zeitreisen sind möglich? Selbst wenn Winkeleisen davon überzeugt gewesen wäre (was er nicht war), würde er schweigen. Denn nichts war so schlimm, wie sich in der Öffentlichkeit lächerlich zu machen. Widersprach eine solche Behauptung doch jeder gängigen Lehrmeinung. Dennoch: Auch wissenschaftliche Thesen, das hatte Nelson schon früh gelernt, wurden ein ums andere Mal umgeworfen. Was gestern galt, war heute ungültig. So wie die Behauptung, die Erde sei eine Scheibe und der Mittelpunkt der Welt. Trotzdem stellten die Gelehrten ihre neuen Erkenntnisse stets als unumstößliche Tatsache hin – bis der nächste kam und mit derselben Selbstsicherheit wieder das Gegenteil behauptete. Wenn sich Kinder vorwagten um wissenschaftliche Thesen zu äußern, wurden sie gelobt und belächelt, auch das hatte Nelson mehr als einmal erfahren: Gelobt für den Mut, ein glattes Eis wie die Wissenschaften zu betreten – belächelt dafür, dass sie allem Anschein nach darauf ausgerutscht waren. Niemand nahm Kinder wirklich ernst. Das war auf Burg Rosenstoltz, dem Internat für Hochbegabte, im Übrigen nicht anders. Hier wurden die Kinder und Jugendlichen zwar angehalten eigene Meinungen zu äußern, aber Nelson hatte rasch gemerkt, dass die Ansichten der Schüler vornehmlich nur deshalb dargelegt werden sollten, damit sie von den Professoren am Ende auseinander gepflückt werden konnten. Im Grunde ging es auch hier darum, Wissen zu vermitteln. Wissen aus Büchern. Wenn Schüler jedoch Fragen stellten, die über das Buchwissen hinausgingen, reagierten viele Lehrer mit Ungeduld. Sollte dann auch noch einer behaupten, jene Nuss geknackt zu haben, an der sich bereits die größten Denker aller Zeiten die Zähne ausgebissen hatten, war er unten durch. Bei den Lehrern genauso wie bei seinen Mitschülern.
    Also schwieg Nelson. Und wartete auf den Tag, an dem er das letzte Puzzlestück
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