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1225 - Die Reliquie

1225 - Die Reliquie

Titel: 1225 - Die Reliquie
Autoren: Jason Dark
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weitere Frage zu stellen. Caine interessierte sich auch nicht mehr für sie, denn er ging ein paar Schritte, bis er schon mit den Füßen im Wasser stand und das hohe Ufergras an seinen Hosenbeinen schabte.
    Ein warnendes Gefühl hielt Tessa davor zurück, ebenfalls vorzugehen. Sie hatte den Beweis nicht bekommen, aber sie spürte, dass der See seine Ruhe verlor.
    Noch blieb das Wasser glatt. Noch gab es keine Wirbel, keine Strömungen, aber in der Tiefe versteckten sich die beiden Männer aus London, und sie mussten etwas in Bewegung gebracht haben, das nur Ian Caine spürte, aber nicht Tessa.
    Sie hatte den Eindruck, dass sich sogar der Himmel verdunkelte. In dieser Zeit war alles anders geworden. Das Unheimliche war auf dem Weg, in die sichtbare Welt einzutreten, aber vorerst nur zu spüren.
    Mit einer scharfen Bewegung drehte sich Ian Caine zu Tessa hin um. »Du!«, flüsterte er scharf, »du bist Schuld. Du hast ihnen den Weg gezeigt, und sie sind dabei, das Wunder zu zerstören. Den alten Beweis, der über Jahrhunderte gehalten hat.« Anklagend wies er mit dem Zeigefinger auf sie. »Man sollte dich ertränken wie eine verdammte Hexe. Wahrscheinlich werde ich es auch tun. Sie war Hexe, Hure und Heilige. Sie war von jedem Etwas, und deshalb ist man zu ihr gepilgert. Die ersten Templer haben es schon gewusst, und sie sorgten auch dafür, dass ihr die Kirche gebaut wurde. Dass sie mal versinken würde, damit konnten sie nicht rechnen, aber auch so hat sich die Kirche gehalten. Sie ist ein Freiraum unter Wasser. Niemand hatte das Recht, sie zu zerstören. Das hat auch der Vorgänger der beiden Männer nicht getan. Sie aber haben diesen Frevel begangen, und sie werden dafür bezahlen. Egal, wer ihnen die Rechnung präsentieren wird.«
    Tessa hatte zwar viel gehört, aber wenig begriffen. Sie war noch durcheinander, aber der Prediger sprach nicht mehr, denn er stand plötzlich starr, nachdem er seine Arme in die Höhe gerissen hatte, als wollte er einen Götzen anbeten.
    Aus seinem Mund drang ein Schrei, der die Wasserfläche erreichte und sich darauf verlor. Er konnte es nicht fassen. Er schüttelte den Kopf, und der Schrei war noch nicht verklungen, als der See plötzlich in Bewegung geriet. Sein Wasser schäumte auf. Von unten her sorgten gewaltige Kräfte dafür, als hätten sie sich jahrelang auf diesen Auftritt vorbereitet. Auf dem Grund wurde das Unterste nach oben gekehrt, und schwarze Schlammwolken trieben in die Höhe.
    Zugleich entstand ein Strudel, ein irrsinniger Sog in der Mitte des Sees.
    Tessa Long wich unwillkürlich zurück. Sie fürchtete sich auch davor, von den Wellen erwischt zu werden, die wuchtig gegen die Uferseiten schlugen und dort einiges überspülten.
    Selbst Tessa wurde nass, obwohl sie schon weit zurückgewichen war. Das Spritzwasser erwischte sie. Es fegte wie kalter Schaum in ihr Gesicht, aber das war nichts im Gegensatz zu dem, was mit Caine geschah.
    Er hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Noch immer hielt er die Arme oben und wirkte dabei wie ein Magier, der damit beschäftigt war, die Elemente zu beschwören.
    Er schrie.
    Und er schrie damit gegen den kochenden See an. Er hatte sich völlig verändert. Tessa hätte solch eine Verwandlung nie für möglich gehalten.
    Das Wasser brodelte und schäumte, und es bildete zugleich einen gewaltigen Strudel und riesigen Sog, der sich als Trichter aufbaute und sich kreiselnd und schäumend in die Tiefe bewegte und dort wie ein Bohrer den Grund aufwühlte.
    Etwas war da. Etwas musste dafür gesorgt haben, dass dieser Sog überhaupt hatte entstehen können. Eine normale Erklärung gab es für Tessa Long nicht. Sie kam sich vor wie eine kleine Figur, mit der die Elemente machen konnten, was sie wollten.
    Etwas, das wirklich lange in der Tiefe gelauert hatte, war zerstört worden.
    Und genau das passte dem Prediger nicht.
    Er holte zwischen seinen Brüllattacken immer wieder Luft. Es schüttelte seinen Körper durch. Tessa starrte auf seinen Rücken. Ein plötzlicher Wind fegte heran und jagte wie unsichtbare Hände über die Wasserfläche hinweg.
    Das Schreien des Mannes verwandelte sich in ein Wort, aber auch das wurde geschrien.
    »Neinnn… so nicht…«
    Und dann rannte er los.
    Tessa biss sich vor Schreck auf die Zunge. Das blanke Entsetzen stand in ihren Augen, als sie sah, wie sich Ian Caine in die Fluten stürzte, als wollte er sich selbst ertränken…
    ***
    Ich wusste nicht mehr, wo ich war. Ich war zu einem Spie lball der
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