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1219 - Die Abrechnung

1219 - Die Abrechnung

Titel: 1219 - Die Abrechnung
Autoren: Jason Dark
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sich, deren hypnotischem Blick sie nicht hatte entweichen können. Noch jetzt hatte sie den Eindruck, unter Hypnose zu stehen und zugleich das Gefühl, unter einer ständigen Beobachtung zu sein, wobei sie den Beobachter selbst nicht sah.
    »Ein Mensch kann sich ändern«, flüsterte sie. »Besonders dann, wenn er jemand kennen lernt, der ihm diese Veränderung leicht macht.«
    »Sehr gut gesagt.«
    Sendrine holte tief Atem. »Wann sehen wir uns wieder?«, fragte sie vorsichtig.
    Er lachte und sagte dann: »Lass dich überraschen.« Nach dieser sehr schwammigen Antwort unterbrach er die Verbindung.
    Sendrine ließ das Handy sinken. Sie blieb noch für die Dauer von gut einer Minute im Wagen sitzen und schaute gegen die Scheibe. Dabei hatte sie den Eindruck, eine Bewegung in der Scheibe zu sehen. Es war kein Spiegelbild von außen, sondern das Gesicht des Mannes, mit dem sie noch vor kurzem gesprochen hatte.
    Als sie hinfassen wollte, war das Gesicht verschwunden. Nur die Augen »glühten« noch nach.
    »Verrückt«, flüsterte Sendrine, »ich bin einfach nur verrückt. Aber ich will auch verrückt sein, zum Teufel.« Sie lachte gegen den Wagenhimmel und startete endlich.
    Vincent van Akkeren hatte ihr eine gute Beschreibung mit auf den Weg gegeben, denn das Ziel war sehr leicht zu finden. Es lag nicht direkt in der Stadt, sondern etwas außerhalb. Und es war nicht unbedingt als Kloster einzustufen, denn es gab keinen prächtigen Bau mit mehreren Flügeln, sondern eine normale, mit kleinen Pflastersteinen belegte Zufahrt, die an einer breiten Eingangstür aus schlichtem braunem Holz endete.
    Die Schlichtheit war nur gespielt, denn bei genauerem Hinschauen sah sie schon die beiden Überwachungskameras, die als Big-Brother-Augen die nahe Umgebung beobachteten.
    Sendrine stellte den Motor ab. Noch einmal schloss sie die Augen und ballte die Hände. »Okay«, flüsterte sie vor sich hin.
    »Okay, du darfst jetzt keinen Fehler begehen. Du musst dich so locker benehmen wie immer. Nur keinen Verdacht erregen.«
    Sie war ruhig. Sie wusste es. Sie wusste auch, dass sie es schaffen konnte.
    Sehr langsam stieß sie die Tür auf. Auch wenn sie wahrscheinlich unter Beobachtung stand, schaffte sie es trotzdem, sich so normal wie möglich zu bewegen und die künstlichen Augen zu ignorieren. Die Handtasche mit den langen Trageriemen hatte sie über die linke Schulter gehängt. Sendrine glaubte nicht, dass sie durch ihr Auftreten Verdacht schöpfte.
    So wie sie bewegte sich jede normale Frau.
    Vor der Tür blieb sie stehen. Es gab eine Klingel und darunter die Rillen einer Sprechanlage. Sie drückte den Knopf nicht zu lange und auch nicht zu kurz, denn sie wollte sich auch jetzt wie eine normale Besucherin verhalten.
    Zuerst passierte nichts. Dann knackte es hinter den Rillen.
    Einen Moment später drang die Stimme an ihre Ohren.
    »Ja bitte, wer ist dort?«
    »Mein Name ist Sendrine Bloch. Ich hätte gern denjenigen Menschen gesprochen, der das Kloster hier leitet.«
    Der Frager sagte nichts mehr. Sendrines Name musste ihn regelrecht geschockt haben.
    »Bitte«, hörte sie dann nach einer Weile und nahm auch die Veränderung in der Stimme wahr. »Wer sind Sie?«
    »Sendrine Bloch.«
    »Und was wollen Sie?«
    Jetzt kam es darauf an. Sie hatte sich die Worte gut zurechtgelegt und sagte mit einer Stimme, in der leichte Trauer mitschwang. »Ich erfuhr, dass mein Onkel gestorben ist, und möchte, wenn eben möglich, an seiner Beerdigung teilnehmen. Denn ich denke, dass ich es ihm schuldig bin.«
    Die Antwort war noch immer nicht der Sesam-Öffne-Dich.
    Stattdessen sagte der Mann: »Tut mir Leid, Mademoiselle, ich kann mich nicht erinnern, dass der Abbé eine Nichte gehabt hat.«
    »Es stimmt. Wir haben uns über Jahre hinweg nicht gesehen. Da mein Vater nicht zur Beerdigung kommen kann und meine Mutter ebenfalls nicht, hat man mich geschickt.«
    »Und woher wissen Sie, dass Ihr Onkel tot ist?«
    »Ich weiß es eben.«
    »Tut mir Leid, aber das ist mir als Antwort zu wenig. Da müssen Sie schon konkreter werden.«
    Sendrine wusste genau, dass sie beobachtet wurde, und versuchte, möglichst locker zu sein. »Sie werden mir nicht gla uben.«
    »Versuchen Sie es trotzdem.«
    »Ich hörte es.«
    »Von wem?«
    »Nun ja, man kann es nicht eben als Stimme bezeichnen, aber es war plötzlich da. Ich würde mehr von einer Botschaft sprechen, die mich erreicht hat.«
    »Genauer.«
    »Im Schlaf weckte mich eine Stimme. Ich habe sie zunächst nicht
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