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12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst
Autoren: Greg Iles
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weißt, dass wir noch mal über deine Rechtschreibung reden müssen, ehe wir fahren.«
    Grant nickte, ohne den Blick von ihr zu nehmen. »Dein Gesicht ist ganz rot«, sagte er. Seine normalerweise melodische Stimme klang flach vor Misstrauen.
    »Ich hab nach dem Aufstehen ein paar Sit-ups gemacht.«
    Grant schürzte die Lippen, während er über ihre Worte nachdachte. »Crunches oder richtige?«
    »Crunches.« Laurel nutzte sein Zögern, um sich an ihm vorbeizuschieben. Sie ging zu ihrem Schrank im Elternschlafzimmer, zog sich einen seidenen Morgenmantel über ihr Baumwollnachthemd und ging zur Küche. »Kannst du bitte nachsehen, ob Beth auf ist?«, rief sie Grant über die Schulter zu. »Ich mach uns schon mal Frühstück.«
    »Dad ist so komisch«, sagte Grant mit schriller Stimme.
    Laurel blieb abrupt stehen und drehte sich zu der kleinen Gestalt in der Schlafzimmertür um. Plötzlich hatte sie Angst. »Wie meinst du das?« Langsam ging sie zu ihrem Sohn zurück.
    »Er schmeißt in seinem Büro mit Papieren um sich!«
    Erst jetzt fiel Laurel wieder ein, dass sie Warren dabei beobachtet hatte, wie er Bücher aus den Regalen riss. »Das ist bestimmt wegen dieser Steuersache, von der wir dir erzählt haben. Da geht es um viel Geld, Schätzchen.«
    »Was ist ein Audit?«
    »Wenn die Regierung nachsieht, ob du alles Geld bezahlt hast, das du bezahlen musst.«
    »Warum müsst ihr der Regierung Geld bezahlen?«
    Laurel zwang sich zu einem Lächeln. »Damit sie Straßen und Brücken bauen kann … und die Armee bezahlen und so was. Wir haben uns doch schon mal darüber unterhalten, Schatz.«
    Grant blickte skeptisch drein. »Dad sagt, sie nehmen euer Geld, damit faule Leute nicht arbeiten müssen. Und damit sie umsonst zum Doktor können. Die arbeitenden Leute bezahlen alles.«
    Laurel konnte es nicht ausstehen, wenn Warren in Gegenwart der Kinder seiner professionellen Frustration Luft machte. Er verstand einfach nicht, wie sehr Grant und Beth sich alles zu Herzen nahmen. Oder er verstand es nur zu gut.
    »Dad hat gesagt, er sucht irgendwas«, sagte Grant.
    »Hat er das gesagt?«
    »Ja. Ein Stück Papier. Ich hab ihm gesagt, dass ich ihm helfen will«, fuhr Grant mit verletzter Stimme fort, »aber er hat mich angeschrien.«
    Laurel blinzelte verwirrt. Das klang gar nicht nach Warren. Andererseits sah es ihm genauso wenig ähnlich, in den Sachen von gestern die ganze Nacht aufzubleiben. Vielleicht war die Steuerprüfung schlimmer, als er ihr weiszumachen versucht hatte. Doch wie schlimm es auch sein mochte – es war nichts, verglichen mit ihrer Situation. Das war ein Desaster.
    Sie kniete vor Grant nieder und küsste ihn auf die Stirn. »Hast du Christy gefüttert?«
    »Jepp«, antwortete er mit offensichtlichem Stolz. Christy war der zunehmend übergewichtige Welsh Corgi der Kinder.
    »Dann geh jetzt nachsehen, ob deine Schwester wach ist. Ich fange mit dem Frühstück an.«
    Grant nickte, und Laurel erhob sich. »Ei mit Hut?«
    Er lächelte seine Mutter zögernd an. »Zwei?«
    »Na gut, zwei.«
    Laurel wollte Warren an diesem Morgen nicht in die Augen sehen. An jedem anderen Tag standen die Chancen dafür bei siebzig Prozent. Die Hälfte der Zeit verließ er das Haus in aller Frühe, um zwischen zehn und siebzig Kilometer auf dem Rennrad zurückzulegen – ein Hobby, das einen großen Teil seiner Freizeit verschlang. Doch es war mehr als ein Hobby. Mit Anfang zwanzig war er als Fahrer der Kategorie Eins eingestuft worden und hatte die Angebote zweier renommierter Rennställe ausgeschlagen, Radprofi zu werden. Stattdessen hatte er sein Medizinstudium durchgezogen. Noch heute nahm er erfolgreich an Rennen der Kategorie Zwei teil, häufig gegen fünfzehn Jahre jüngere Konkurrenten. An Tagen, an denen er nicht trainierte, verließ er manchmal für seine morgendliche Runde im Krankenhaus sehr früh das Haus, während Laurel die Kinder für die Schule fertig machte.
    Ihre Gedanken schweiften zu der Walgreens-Tüte im Schränkchen unter der Toilette. Die Chancen standen eins zu einer Million, dass Warren sie entdeckte, geschweige denn hineinschaute. Dennoch … manchmal lief das Wasser der Toilette grundlos undhörte erst wieder auf, wenn man am Griff des Druckspülers wackelte. Warren war zwanghaft in solchen Dingen. Was, wenn er die Ärmel hochkrempelte und sich daranmachte, den Spüler zu reparieren? Vielleicht schob er die Tüte aus dem Weg oder trat in seinem Zorn sogar danach …
    Es sind die kleinen Dinge, die
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