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12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst
Autoren: Greg Iles
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Punkin«, warf Laurel ein, während sie sich fragte, was zur Hölle in Warren gefahren war, dass er Beth solche Dinge erzählte. Das Mädchen würde sich jetzt tagelang Sorgen machen. »Du braucht überhaupt keine Angst zu haben. Deine Ururururenkel sind schon tausend mal tausend Jahre tot, wenn das passiert. Also mach dir keine Gedanken.«
    »Supernova!«, rief Grant. »So nennt man es doch, wenn ein Stern explodiert, stimmt’s?«
    »Stimmt«, sagte Warren mit unübersehbarer Zufriedenheit.
    »Cool!«, krähte Grant.
    »Von solchen Dingen verstehen nur Jungs etwas«, sagte Laurel zu Beth. »Sogar das Ende der Welt hört sich in ihren Ohren cool an.«
    Trotz ihres Dilemmas war Laurel versucht, Warren einen tadelnden Blick zuzuwerfen – was sie an einem gewöhnlichen Tag zweifellos getan hätte –, doch als sie aufsah, war er bereits wieder in seinem Büro verschwunden. Weitere dumpfe Geräusche verrieten, dass er noch immer nicht gefunden hatte, wonach er suchte. Normalerweise wäre sie zu ihm gegangen und hätte ihn gefragt, wonach er suchte, um ihm anschließend zu helfen – nicht jedoch heute.
    Grant glitt von seinem Hocker und öffnete seinen Rucksack. Laurel bemerkte zufrieden, dass er ohne Aufforderung mit seinen Hausaufgaben begann. Beth ging zu einem Stuhl am Küchentisch und zog ihre Schuhe an. Sie mussten stets genau gleich fest gebunden sein, ein Ritual, das gelegentlich zu Anfällen von obsessiver Panik führte, doch an den meisten Tagen lief alles glatt.
    Manchmal fühlte Laurel sich schuldig, wenn andere Mütter sich beschwerten, welch ein Alptraum es sei, die Kinder morgens für die Schule fertig zu machen. Ihre eigenen Kinder machten sich mehr oder weniger selbstständig fertig; ihre Routine war so verfestigt, dass Laurel sich manchmal fragte, ob sie und Warren insgeheim unterdrückte faschistische Neigungen hatten. Die Wahrheit lautete, dass der Umgang mit zwei normalen Sprösslingen für jemanden, der seine Tage damit verbrachte, geistig behinderte Kinder zu unterrichten, kaum der Rede wert war.
    Soll ich ins Arbeitszimmer gehen?, überlegte Laurel erneut. Würde eine gute Ehefrau nicht genau das tun? Ihrer Besorgnis Ausdruck verleihen? Ihre Hilfe anbieten?
    Doch Warren wollte nie Hilfe bei derartigen Dingen. Seine ärztliche Praxis war seine Angelegenheit und ging niemanden etwas an. Er war offensichtlich in die bevorstehende Steuerprüfung vertieft. Dennoch … dieser ungewöhnliche Blick eben hatte Laurel beunruhigt.
    »Wir kommen zu spät, Mom«, riss Grant sie aus ihren Gedanken.
    »Du hast recht«, pflichtete Laurel ihm bei, ohne einen Blick auf die Uhr zu werfen. »Also los.«
    Sie half Beth, ihren Rucksack anzulegen; dann nahm sie ihren Notebook-Koffer und ihre Handtasche und ging zur Garagentür. Die Hand auf dem Knauf, warf sie einen Blick über die Schulter, halb in der Erwartung, dass Warren ihr hinterherstarrte, doch außer seinen Beinen war nichts von ihm zu sehen. Er war eine kleine Bibliotheksleiter hinaufgeklettert, um die oberen Reihen seiner maßgefertigten Regale zu durchsuchen, die bis unter diedrei Meter hohe Decke reichten. Sie atmete erleichtert auf und führte die Kinder zu ihrem Acura.
    Nachdem beide sich angeschnallt hatten, schlug Laurel sich verspielt an die Stirn. »Ich glaube, ich habe gestern Abend vergessen, den Rasensprenger auszudrehen.«
    »Ich geh nachsehen!«, rief Grant und schnallte sich wieder los.
    »Nein, ich gehe selbst«, sagte Laurel entschieden und stieg rasch aus dem Wagen.
    Sie drückte auf den Knopf an der Wand und duckte sich unter dem sich lautlos öffnenden Garagentor hindurch, sobald es einen Meter über dem Boden war; dann lief sie um das Haus herum nach hinten. Sie würde die Walgreens-Tüte aus dem Strauch holen, in den Kofferraum werfen und im Lauf des Tages irgendwo entsorgen, entweder an einer Tankstelle oder bei einem Laden (genau wie sie es während der letzten elf Monate mit einer Karte zum Valentinstag, mit Rosen und mit ein paar Briefen gemacht hatte). Sie bahnte sich einen Weg zwischen den Büschen hindurch, als eine Frauenstimme rief: »Laurel? Hier drüben!«
    Laurel erstarrte und drehte sich nach der Stimme um. Keine fünfundzwanzig Meter entfernt, fast unsichtbar hinter ein paar Buchsbäumen, kniete eine Frau mit einem Strohhut und leuchtend gelben Gummihandschuhen. Bonnie Elfman war um die siebzig, bewegte sich jedoch wie eine viel jüngere Frau. Aus irgendeinem Grund hatte sie diesen Morgen auserkoren, um den westlichen
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