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12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst
Autoren: Greg Iles
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dich umbringen, hatte Danny zu Laurel gesagt – oft genug, dass es haften geblieben war. Und er sprach aus Erfahrung – nicht nur, was außereheliche Affären anging, sondern auch als ehemaliger Kampfflieger. Nach kurzem Nachdenken ging Laurel ins Bad, öffnete eines der Fenster, zog die Tüte hinter der Toilette hervor und warf sie hinaus. Sie beugte sich weit genug vor, sodass sie beobachten konnte, wie die Tüte in einem Gebüsch landete. Ehe sie sich auf den Weg zur Schule machte, würde sie die Tüte aufsammeln und sie unterwegs an einer Tankstelle in einen Müllcontainer werfen.
    Als sie das Fenster schloss, ließ sie den Blick über den Garten schweifen, eine ausgedehnte, taufeuchte Landschaft aus sattgrünem Rasen und vereinzelten Pekannussbäumen, an denen sich bereits das erste Frühlingsgrün zeigte. Es war kaum damit zu rechnen, dass jemand ihre kleine Entsorgungsaktion beobachtet hatte – ihr Haus stand auf einem Grundstück von vierzigtausend Quadratmetern, und die nächsten Nachbarn auf dieser Seite, die Elfmans, wohnten fast zweihundert Meter entfernt, mit vielen Bäumen und Sträuchern dazwischen. Hin und wieder sah Laurel Mr. Elfman beim Rasenmähen an der Grundstücksgrenze, doch dazu war es heute noch zu früh.
    Bevor die volle psychische Last der Schwangerschaft wieder in ihre Gedanken brechen konnte, zog Laurel eine schwarze, wadenfreie Hose und eine weiße Seidenbluse an und schminkte sich in Rekordzeit. Sie trug den Eyeliner auf, wobei ihr bewusst wurde, dass sie dem eigenen Blick genauso auswich wie dem ihres Mannes. Als sie zu einer letzten abschätzenden Musterung vom Spiegel zurücktrat, schlug eine Woge von Schuldgefühlen über ihr zusammen. Sie hatte zu vertuschen versucht, dass sie geweint hatte, und dabei zu viel Make-up aufgetragen. Das Gesicht, dasihr nun aus dem Spiegel entgegensah, gehörte dem Flittchen, als das viele Frauen sie betrachteten. Wegen ihres Aussehens schätzten sie Laurels Arbeit als Lehrerin gering, den Eifer, mit dem sie an schwierige Fälle heranging … einfach alles. An den meisten Tagen gab Laurel einen Dreck auf das, was andere Leute über sie dachten, besonders diese Weiber, die sich ständig die Mäuler über sie zerrissen. Heute jedoch hatte der Schwangerschaftstest beinahe jede an den Haaren herbeigezogene Lüge bestätigt, die diese Hexen über sie erzählten. Beinahe.
    »Wie bin ich in diese Lage gekommen, verdammt?«, flüsterte Laurel ihrem Spiegelbild zu.
    Die Rüge in den großen grünen Augen, die sie aus dem Spiegel anstarrten, sagte ihr alles.
    Lass dir nichts anmerken, beschwor sie sich, ehe sie sich umwandte und den Flur hinuntereilte, um sich ihrer Familie und dem neuen Tag zu stellen.
    Die Kinder waren fast mit dem Frühstück fertig, als Warren den Kopf aus seinem Arbeitszimmer steckte. Laurel hatte eben die Kasserolle abgewaschen und sich wieder der granitenen Theke zugewandt, wo die Kinder den letzten Rest von ihren Toasts aßen, als sie bemerkte, wie Warren sie aus tief eingesunkenen Augen von der Tür aus beobachtete. Er hatte sich nicht rasiert, und der Bartschatten auf Kinn und Wangen verlieh ihm eine ungewöhnlich intensive Ausstrahlung. Seine Augen blickten seltsam leer, doch auf seinem Gesicht spiegelte sich Zorn, den Laurel jedoch auf die bevorstehende Betriebsprüfung und Warrens Wut auf die Finanzbehörden zurückführte. Sie hob die Augenbrauen; es war eine stumme Frage, ob sie auf ein paar ungestörte Worte zu ihm ins Büro kommen sollte. Doch Warren schüttelte den Kopf.
    »Wenn die Erde immer wärmer wird«, fragte Beth, die Sechsjährige, »wird das Meer dann eines Tages kochen, so wie die Eier im Topf?«
    »Aber nein, Punkin«, versicherte Laurel ihrer Tochter. »Nur wird dann sehr viel Eis am Nord- und am Südpol schmelzen.Und weil dann auf der ganzen Welt das Wasser steigt, müssen die Menschen, die am Meer leben, ihre Häuser weiter weg vom Wasser bauen.«
    »Genau genommen werden die Ozeane tatsächlich eines Tages kochen«, sagte Warren von der Tür her. Seine tiefe Stimme klang mühelos durch den großen Raum.
    Beth legte die Stirn in Falten und drehte sich auf ihrem hohen Hocker zu ihrem Dad um.
    »Die Sonne wird eines Tages zu einem gewaltigen Feuerball wachsen«, fuhr Warren fort. »Die Meere werden verdampfen wie Wasser auf einer heißen Herdplatte.«
    »Ehrlich?« , fragte Beth, die Stimme erfüllt von Angst.
    »Ja. Und dann …«
    »Daddy redet von einer Zeit, die Millionen Jahre in der Zukunft liegt,
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