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12 Stunden Angst

12 Stunden Angst

Titel: 12 Stunden Angst
Autoren: Greg Iles
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Standard, Syndrom …  ganz gleich, wie sehr sie sich bemühte, die Worte und Daten wollten sich nicht zu etwas Zusammenhängendem verbinden.
    Warum sollten sie auch? In weniger als fünf Minuten würde sie einer Frau von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen, die sie fast ein ganzes Jahr lang betrogen hatte. Eine Frau, die sie nie gemocht hatte, vielleicht aus Sorge, als schlechte Mutter verurteilt zu werden. Es gab keine Möglichkeit, solche Einschätzungen zu vermeiden, doch Laurel bemühte sich stets, sich nichts davon anmerken zu lassen. Das Problem war, sie respektierte Starlette McDavitt nicht. Die meisten Mütter, mit denen Laurel arbeitete, waren Heilige, wenn es um ihre Kinder ging, Starlette jedochbefand sich am anderen Ende des Spektrums. Laurel glaubte nicht, dass sie eine Frau betrogen hätte, die sie respektierte, obwohl das vielleicht nur Wunschdenken war und ohnehin nichts brachte. Wie Danny oft genug gesagt hatte: Man wusste nie, wie man reagierte, bevor man nicht vom Leben selbst auf die Probe gestellt wurde.
    Das leise Klopfen an der Tür hätte Laurel ein paar Sekunden Vorwarnung geben müssen, doch sie war so tief in Gedanken, dass sie völlig vergaß, welch großen Auftritt Starlette McDavitt stets hinlegte. Deshalb war Laurel völlig unvorbereitet, als plötzlich Danny das Klassenzimmer betrat. Und er sah aus wie ein Mann, der in einer Welt zwischen Leben und Tod schwebte.

3
    E s tut mir leid«, sagte Danny, als er hinter sich die Tür schloss. »Starlette wollte nicht kommen.«
    »Warum nicht?« Laurel flüsterte beinahe.
    Danny zuckte die Schultern und schüttelte den Kopf. Du weißt doch, wie sie ist, sagten seine Augen.
    »Sie hat sich eine Ausrede einfallen lassen, nicht selbst zu erscheinen«, vermutete Laurel.
    Danny nickte. »Ich musste eine Flugstunde absagen, um herzukommen.«
    Laurel musterte ihn stumm. Sie hatte Danny seit mehr als einer Woche nicht gesehen, und selbst da war es nur ein flüchtiger Blick gewesen, als er den kleinen Michael in seinem alten Pick-up vor der Schule abgesetzt hatte. Erst jetzt spürte Laurel, wie tief es sie geschmerzt hatte, Danny nicht zu sehen. Ohne ihn fühlte sie sich leer und kraftlos, als hätte ein heimtückischer Virus sie befallen und ihr die Energie geraubt.
    »Darf ich reinkommen?«, fragte er schüchtern.
    Laurel nickte bloß, weil ihr ihm Augenblick die Worte fehlten.
    Sie beobachtete, wie er zu den Reihen von Mini-Stühlen an der Rückwand des Klassenzimmers ging. Er will nicht an den Tisch, um mir Zeit zu geben, erkannte sie. Damit ich mich erholen kann. Danny bewegte sich mit geschmeidiger Leichtigkeit, obwohl er aussah, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen oder gegessen. Er war knapp über eins achtzig groß und besaß drahtige Muskeln und trotz seines Alters einen flachen Bauch. Mit seinem wettergegerbten Gesicht und der ganzjährigen Bräune sah er wie der Mann aus, der er war – ein Mann, der sein Leben selbst in die Hand nahm. Er war als Sohn eines Sprühfliegers aufgewachsen und mit einem Baseball-Stipendium ans College gegangen, hatte nach dem zweiten Semester jedoch aufgehört, um in die Air Force einzutreten, wo er die Eignungstests für die Pilotenausbildung bestand. Er war kein Schönling, doch die meisten Frauen, die Laurel kannte, empfanden ihn als attraktiv. Sein lockiges Haar war an den Schläfen grau, doch überall sonst noch dunkel, und er tönte es nicht nach. Doch was sie am meisten an ihm fesselte, waren seine Augen – grau, mit einer Spur von Blau darin, wie das Meer in nördlichen Breiten. Sie konnten weich oder hart sein, je nachdem, wie die Situation es erforderte. Laurel hatte sie meist weich erlebt und funkelnd, wenn er gelacht hatte, doch manchmal, wenn er von seiner Frau erzählte, wurden sie kalt und hart. Danny war in jeder Hinsicht ein ganzer Kerl, während die meisten anderen Männer, die Laurel kannte, den Eindruck alternder Collegeboys erweckten, die immer noch versuchten, sich in einer verwirrenden Welt zurechtzufinden.
    Danny drehte einen der kleinen Stühle herum und setzte sich rittlings darauf, die Lehne zwischen sich und Laurel, als wollte er ihren neuen Status des Getrenntseins betonen. Er beobachtete sie vorsichtig aus graublauen Augen. »Ich hoffe, du bist jetzt nicht wütend«, begann er leise. »Ich wäre nicht gekommen, aber es hätte nicht gut ausgesehen, wenn nicht wenigstens einer von uns zur Sprechstunde gegangen wäre.«
    »Ich … ich bin nicht wütend«, stammelte
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