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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
Autoren: Karl May
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und dann wird nach hundert Jahren dein Urenkel sagen: ‚Ich bin Hadschi Mustafa Ben Hadschi Ali Assabeth Ibn Hadschi Said al Hamza Ben Hadschi Schehab Tofaïl Ibn Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah‘, und keiner von all diesen sieben Pilgern wird Mekka gesehen haben und ein echter, wirklicher Hadschi geworden sein. Meinst du nicht?“
    So ernst er sonst war, er mußte dennoch über diese kleine, unschädliche Malice lachen. Es gibt unter den Mohammedanern sehr, sehr viele, die sich, besonders dem Fremden gegenüber, als Hadschi gebärden, ohne die Kaaba gesehen, den Lauf zwischen Ssafa und Merweh vollbracht zu haben, in Arafah gewesen und in Minah geschoren und rasiert worden zu sein. Mein guter Halef fühlte sich geschlagen, aber er nahm es mit guter Miene hin.
    „Sihdi“, fragte er kleinlaut, „wirst du es ausplaudern, daß ich noch nicht in Mekka war?“
    „Ich werde nur dann davon sprechen, wenn du wieder anfängst, mich zum Islam zu bekehren; sonst aber werde ich schweigen. Doch schau, sind das nicht Spuren im Sand?“
    Wir waren schon längst in das Wadi (Tal, Schlucht) Tarfaui eingebogen und jetzt an eine Stelle desselben gekommen, an welcher der Wüstenwind den Flugsand über die hohen Felsenufer hinabgetrieben hatte. In diesem Sand war eine sehr deutliche Fährte zu erkennen.
    „Hier sind Leute geritten“, meinte Halef unbekümmert.
    „So werden wir absteigen, um die Spur zu untersuchen.“
    Er blickte mich fragend an.
    „Sihdi, das ist überflüssig. Es ist genug, zu wissen, daß Leute hier geritten sind. Weshalb willst du die Hufspuren untersuchen?“
    „Es ist stets gut, zu wissen, welche Leute man vor sich hat.“
    „Wenn du alle Spuren, welche du findest, untersuchen willst, so wirst du unter zwei Monden nicht nach Seddada kommen. Was gehen dich die Männer an, die vor uns sind?“
    „Ich bin in fernen Ländern gewesen, in denen es viel Wildnis gibt und wo sehr oft das Leben davon abhängt, daß man alle Darb und Ethar, alle Spuren und Fährten, genau betrachtet, um zu erfahren, ob man einem Freund oder einem Feind begegnet.“
    „Hier wirst du keinem Feind begegnen, Effendi.“
    „Das kann man nicht wissen.“
    Ich stieg ab. Es waren die Fährten dreier Tiere zu bemerken, eines Kamels und zweier Pferde. Das erstere war jedenfalls ein Reitkamel, wie ich an der Zierlichkeit seiner Hufeindrücke bemerkte. Bei genauer Betrachtung fiel mir eine Eigentümlichkeit der Spuren auf, welche mich vermuten ließ, daß das eine der Pferde an dem ‚Hahnentritte‘ leide. Dieses mußte meine Verwunderung erregen, da ich mich in einem Land befand, dessen Pferdereichtum zur Folge hat, daß man niemals Tiere reitet, welche mit diesem Übel behaftet sind. Der Besitzer des Rosses war entweder kein oder ein sehr armer Araber.
    Halef lächelte über die Sorgfalt, mit welcher ich den Sand untersuchte, und fragte, als ich mich wieder emporrichtete:
    „Was hast du gesehen, Sihdi?“
    „Es waren zwei Pferde und ein Kamel.“
    „Zwei Pferde und ein Djemmel! Allah segne deine Augen; ich habe ganz dasselbe gesehen, ohne daß ich von meinem Tier zu steigen brauchte. Du willst ein Taleb sein, ein Gelehrter, und tust doch Dinge, über welche ein Hamahr, ein Eselstreiber, lachen würde. Was hilft dir nun der Schatz des Wissens, den du hier gehoben hast?“
    „Ich weiß nun zunächst, daß die drei Reiter vor ungefähr vier Stunden hier vorübergekommen sind.“
    „Wer gibt dir etwas für diese Weisheit? Ihr Männer aus dem Belad er Rumi, aus Europa, seid sonderbare Leute!“
    Er schnitt bei diesen Worten ein Gesicht, von welchem ich das tiefste Mitleid lesen konnte, doch zog ich es vor, schweigend unsern Weg fortzusetzen.
    Wir folgten der Fährte wohl eine Stunde lang, bis wir da, wo das Wadi eine Krümmung machte und wir nun um eine Ecke bogen, unwillkürlich unsere Pferde anhielten. Wir sahen drei Geier, welche nicht weit vor uns hinter einer Sanddüne hockten und sich bei unserem Anblick mit heiseren Schreien in die Lüfte erhoben.
    „El Büdj, der Bartgeier“, meinte Halef. „Wo er ist, da gibt es ganz sicher ein Aas.“
    „Es wird dort irgendein Tier verendet sein“, antwortete ich, indem ich ihm folgte.
    Er hatte sein Pferd rascher vorwärts getrieben, so daß ich hinter ihm zurückgeblieben war. Kaum hatte er die Düne erreicht, so hielt er mit einem Ruck still und stieß einen Ruf des Schreckens aus.
    „Maschallah, Wunder Gottes! Was ist das? Ist das nicht ein
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