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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
Autoren: Karl May
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werden sollte.
    Das so grausam aus seinem Nachdenken gestörte Tier machte einen Versuch, vorn emporzusteigen, besann sich aber sofort auf die Ehrwürdigkeit seines Alters und ließ sich in seinen Gleichmut stolz zurückfallen. Halef aber setzte seine Rede fort:
    „Ja, Dschennet, das Paradies, und Dschehennah, die Hölle, müssen auch mit bleiben, denn wohin sollten die Seligen und die Verdammten sonst kommen? Vorher aber müssen die Auferstandenen über die Brücke Ssirath, welche über den Teich Handh führt und so schmal und scharf ist, wie die Schneide eines gut geschliffenen Schwertes.“
    „Du hast noch eins vergessen.“
    „Was?“
    „Das Erscheinen des Deddschel.“
    „Wahrhaftig! Sihdi, du kennst den Koran und alle heiligen Bücher und willst dich nicht zur wahren Lehre bekehren! Aber trage nur keine Sorge; ich werde einen gläubigen Moslem aus dir machen! Also vor dem Gericht wird sich der Deddschel zeigen, den die Giaurs den Antichrist nennen, nicht wahr, Effendi?“
    „Ja.“
    „Dann wird über jeden das Buch Kitab aufgeschlagen, in welchem seine guten und bösen Taten verzeichnet stehen, und die Hisab gehalten, die Musterung seiner Handlungen, welche über fünfzigtausend Jahre währt, eine Zeit, welche den Guten wie ein Augenblick vergehen, den Bösen aber wie eine Ewigkeit erscheinen wird. Das ist das Hukm, das Abwiegen aller menschlichen Taten.“
    „Und nachher?“
    „Nachher folgt das Urteil. Diejenigen mit überwiegenden guten Werken kommen in das Paradies, die ungläubigen Sünder aber in die Hölle, während die sündigen Moslemim nur auf kurze Zeit bestraft werden. Du siehst also, Sihdi, was deiner wartet, selbst wenn du mehr gute als böse Taten verrichtest. Aber du sollst gerettet werden, du sollst mit mir in das Dschennet, in das Paradies, kommen, denn ich werde dich bekehren, du magst wollen oder nicht!“
    Und wieder strampelte er bei dieser Versicherung so energisch mit den Beinen, daß die alte Hassi-Ferdschahn-Stute ganz verwundert die Ohren spitzte und mit den großen Augen nach ihm zu schielen versuchte.
    „Und was harrt meiner in eurer Hölle?“ fragte ich ihn.
    „In der Dschehennah brennt das Nar, das ewige Feuer, dort fließen Bäche, welche so sehr stinken, daß der Verdammte trotz seines glühenden Durstes nicht aus ihnen trinken mag, und dort stehen fürchterliche Bäume, unter ihnen der schreckliche Baum Zakum, auf dessen Zweigen Teufelsköpfe wachsen.“
    „Brrrrrr!“
    „Ja, Sihdi, es ist schauderhaft! Der Beherrscher der Dschehennah ist der Strafengel Thabek. Sie hat sieben Abteilungen, zu denen sieben Tore führen. Im Dschehennem, der ersten Abteilung, müssen die sündhaften Moslemim büßen so lange, bis sie gereinigt sind; Ladha, die zweite Abteilung, ist für die Christen, Hothama, die dritte Abteilung, für die Juden, Sair, die vierte, für die Sabier, Sakar, die fünfte, für die Magier und Feueranbeter, und Gehim, die sechste, für alle, welche Götzen oder Fetische anbeten. Zaoviat aber, die siebente Abteilung, welche auch Derk Asfal genannt wird, ist die allertiefste und fürchterlichste; sie wird alle Heuchler aufnehmen. In allen diesen Abteilungen werden die Verdammten von bösen Geistern durch Feuerströme geschleppt, und dabei müssen sie vom Baum Zakum die Teufelsköpfe essen, welche dann ihre Eingeweide zerbeißen und zerfleischen. O, Effendi, bekehre dich zum Propheten, damit du nur kurze Zeit in der Dschehennah zu stecken brauchst!“
    Ich schüttelte den Kopf und sagte:
    „Dann komme ich in unsere Hölle, welche ebenso entsetzlich ist wie die eurige.“
    „Glaube dies nicht, Sihdi! Ich verspreche dir beim Propheten und allen Kalifen, daß du in das Paradies kommen wirst. Soll ich es dir beschreiben?“
    „Tue es!“
    „Das Dschennet liegt über den sieben Himmeln und hat acht Tore. Zuerst kommst du an den großen Brunnen Hawus Kewser, aus welchem hunderttausende Selige zugleich trinken können. Sein Wasser ist weißer als Milch, sein Geruch köstlicher als Moschus und Myrrha, und an seinem Rande stehen Millionen goldener Trinkschalen, welche mit Diamanten und Steinen besetzt sind. Dann kommst du an Orte, wo die Seligen auf golddurchwirkten Kissen ruhen. Sie erhalten von unsterblichen Jünglingen und ewig jungen Houris köstliche Speisen und Getränke. Ihr Ohr wird ohne Aufhören von den Gesängen des Engels Israfil entzückt und von den Harmonien der Bäume in denen Glocken hängen, welche ein vom Throne Gottes gesendeter Wind bewegt.
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