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1189 - Hexen-Wahrheit

1189 - Hexen-Wahrheit

Titel: 1189 - Hexen-Wahrheit
Autoren: Jason Dark
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einer Sauna. An diesem Morgen hatte sich die Zahl der Menschen mit den stoischen Gesichtsausdrücken noch vervielfacht.
    Alle wirkten wie erschlafft. Als würden sie selbst neben sich stehen.
    Bis auf den Typ mit der Elvis-Locke. Ich wunderte mich über ihn, denn er bewegte sich plötzlich wie ein Tänzer, der aber auf der Stelle stehen blieb. Er rollte mit den Augen, hob einmal die rechte, dann die linke Schulter an und stieß den Atem in keuchenden Stößen aus.
    Zugleich hatte ich den Eindruck eines kurzen heißen Stoßes, der mich an der Brust erwischte, und zwar dort, wo das Kreuz hing.
    Es war wirklich nur ein winziger Moment, dann war es vorbei.
    »Ist was mit dir?«, fragte Suko. Ihm musste wohl etwas aufgefallen sein.
    »Nein.«
    »Lüg nicht.«
    »Erzähle ich dir gleich.«
    Locke bewegte sich noch immer. Aber das war kein Tanz, zumindest kein echter. Sein Körper wurde durchgeschüttelt. Mit einer Hand hielt er sich an einem Griff fest. Ich sah den Schweiß auf seinem Gesicht und auch die Angst in seinen Augen.
    Jetzt sprach ich ihn an. »Was haben Sie, Mister? Kann ich Ihnen helfen?«
    Er glotzte mir ins Gesicht. Ja, verdammt, es war ein Glotzen, denn die Augen traten hervor. Er bemühte sich, mir eine Antwort zu geben. Ich musste einige Sekunden warten, bis er etwas sagte und dabei auch sehr die Ohren spitzen.
    »Die Wahrheit… die Hexen-Wahrheit…«
    »Was haben Sie gesagt?«
    Er wollte sprechen, aber diesmal schaffte er nur ein Keuchen. Dann drückte er seinen Körper zurück, prallte mit dem Rücken gegen die Scheibe, und die Hand ließ den Griff los. Er sackte zusammen, wobei die rechte Hand unter dem Jackett verschwand.
    Ich dachte mir nichts dabei.
    Erst als ich die Waffe sah, schrillten bei mir die Alarmglocken.
    Dann ging alles blitzschnell.
    Weder Suko, noch ich, noch die anderen Fahrgäste konnten das Unglück verhindern.
    Der Typ riss den rechten Arm mit der Waffe hoch und steckte sich den Lauf des Revolvers in den offenen Mund.
    Sofort danach drückte er ab!
    ***
    Was dann passierte, war der berühmte zur Tatsache gewordene Albtraum. Ich war Zeuge, Suko ebenfalls, und ich hatte den Eindruck, alles Weitere in Zeitlupe zu erleben. Das Gesicht blieb, aber es war zur Maske geworden. Das Echo des Schusses rollte durch den Wagen, während hinter dem Mann eine Masse, die sich in seinem Kopf befunden hatte, gegen die Scheibe klatschte.
    Dann sackte er in die Knie.
    Sein Hinterkopf sah schrecklich aus. Am Fenster rann die Masse aus Blut, Hirn und Knochensplittern nach unten, während die Waffe aus dem Mund und ebenfalls aus der Hand des Mannes rutschte und ebenso starr am Boden liegen blieb wie er.
    Es gab Zeugen. Der Schuss war gehört worden. Danach herrschte für einen Moment eine gespenstische Stille, die dann durch das glatte Gegenteil zerstört wurde, als in das Bewusstsein der Fahrgäste hineindrang, was sich hier abgespielt hatte.
    Ein wahrer Tornado aus Schreien umwehte uns. Diejenigen, die in der Nähe der Locke gestanden hatten, rannten fluchtartig weg. Sie stießen mit anderen Menschen zusammen. Innerhalb des fahrenden und auch schaukelnden Wagens kam es zu wilden Szenen, bei denen sich Menschen gegenseitig zu Boden rissen.
    Suko und ich blieben an unseren Plätzen. Auch wir waren von dem ersten Schock erwischt worden, denn Zeugen einer derartigen Tat zu werden, gehörte nicht eben zu unseren alltäglichen Begebenheiten. Aber wir konnten uns beherrschen, und wir würden alles tun, um die Menschen von der Leiche fern zu halten.
    Die nächste Station war wichtig. Und natürlich das Telefongespräch, das Suko bereits über Handy führte, um die Kollegen zu alarmieren. Ich dachte sogar daran, dass es ein Chaos geben würde, denn dieses Gleis musste gesperrt werden. Im nächsten Bahnhof wurde der Zug stillgelegt. Da begann die ganze Chose der Untersuchungen, und für uns würde der Tag auch anders verlaufen.
    Ich schaute nicht unbedingt auf den Toten, aber ich dachte an ihn und an das, was ich erlebt hatte.
    Nicht unbedingt an seine Selbsttötung, mir ging noch etwas anderes durch den Kopf.
    Ich hatte den kurzen Hitzestoß gespürt, den das Kreuz ausgesandt hatte.
    Einbildung oder nicht?
    Und dann hatte der Mann mit der Locke noch etwas gesagt. Der Begriff Wahrheit war gefallen, aber zugleich noch ein anderer, in dem die Wahrheit mit integriert worden war.
    Hexen-Wahrheit…
    Ich wiederholte den Begriff mit leiser Stimme. Suko war trotzdem aufmerksam geworden.
    »Was hast du gesagt, John?«
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