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1177 - Der Weg in die Unterwelt

1177 - Der Weg in die Unterwelt

Titel: 1177 - Der Weg in die Unterwelt
Autoren: Jason Dark
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Finger. Sie machte auf mich nicht den Eindruck, als wollte sie sich unterhalten. Das sah auch ihre Lehrerin, die dabei war, etwas aus der Handtasche zu holen. Es waren Blätter in DIN-A4-Größe, die sie auf den Tisch legte. Die Blätter waren bemalt. Die Motive der Zeichnungen allerdings konnte ich nicht erkennen. Erst als die Frau die Blätter gedreht hatte, sahen Bill und ich, dass Melody ihre Traumerlebnisse so zu Papier gebracht hatten.
    Es waren Skelette. Zwar nicht besonders gut gezeichnet, aber doch zu erkennen. Und sie hatte auch versucht, sie in der Bewegung zu malen. Das in einer düsteren Umgebung, die sie grau schraffiert hatte. Wir konnten einen Teich erkennen, über den ein Boot fuhr, auf dem sich die Knöchernen befanden.
    Ein Bild drehte die Lehrerin zum Schluss herum. »Diese Zeichnung gibt ihren letzten Traum wieder.«
    Bill und ich schauten gemeinsam hin. Wir sagten nichts, aber wir schluckten hart.
    Wir sahen wieder den See, das Boot und die Skelette. Etwas allerdings war anders. Auf dem Boot standen nicht nur die Knöchernen, sondern auch eine Frau. Sie war als Skizze angedeutet, und doch war zu sehen, dass die Frau gefesselt war.
    »Es ist die Zeichnung von heute Morgen«, flüsterte die Lehrerin uns zu. »Melodys Mutter.«
    Ja, das konnten wir uns vorstellen. Sie hatte also geträumt, dass ihre Mutter von den Skeletten entführt worden war, und anscheinend schien es zu stimmen, da Mrs. Turner bisher nicht nach Hause gekommen war.
    »Was sagt der Vater?«, fragte ich.
    Claudia Ross schüttelte den Kopf. »Es gibt keinen Vater. Grace Turner ist eine alleinerziehende Frau. Ich weiß nicht, wer Mr. Turner war und wo er letztendlich geblieben ist. Jedenfalls hat Melody ihren Vater nie persönlich erlebt. Ich habe sie auch nie danach gefragt und ihre Mutter ebenfalls nicht.«
    »Das ist verständlich.« Ich schaute mir wieder die Zeichnungen an. Sie waren in der Tat außergewöhnlich und makaber. Die Motive entstammten den Träumen des jungen Mädchens, aber mussten sie deshalb auch den Tatsachen entsprechen?
    Ich schaute Melody Turner direkt in die Augen. Sie wollte mich gar nicht sehen, denn ihr Blick ging durch mich hindurch, und sie nahm auch die übrige Umgebung nicht wahr. Melody schien in ihrer eigenen Welt völlig versunken zu sein.
    »He, was hast du?«
    Die Antwort erreichte uns zögernd. »Ich… ich… glaube, dass meine Mutter tot ist…«
    ***
    Grace Turner erlebte die Realität wie einen Albtraum. Sie war einfach nicht in der Lage, über etwas nachzudenken. Sie nahm alles hin, und sie konnte sich nicht wehren.
    Die knochigen Hände hatten sie in das Boot zu den anderen Skeletten gezogen und dicht am Bug auf die Beine gestellt. Die Fesseln waren ihr nicht abgenommen worden, und zwei Knochenhände hatten sich in Höhe der Ellenbogen um ihre Arme gelegt, um ihr einen entsprechenden Halt zu geben. Man wollte nicht, dass sie während der Bootsfahrt über Bord in das dunkle Wasser kippte.
    Sie wünschte sich, in ihrem Bett zu liegen und irgendwann aus diesem Traum zu erwachen, um in das Gesicht ihrer Tochter schauen zu können, die ihr dann klar machte, dass sie eben nur einen Traum erlebt hatte. Das geschah nicht, und allmählich begriff auch Grace, dass sie die Wirklichkeit erlebte, und dass es genau die schrecklichen Dinge gab, von denen ihr Melody berichtet hatte.
    Sie schüttelte sich. Über ihren Rücken rannen kalte Schauer. Auf dem Gesicht lag kalter Schweiß.
    Sie spürte ihren Herzschlag deutlicher als sonst. Bis oben in ihren Kopf drangen die Echos.
    Die Welt um sie herum war dunkel, abgesehen vom Licht der alten Laterne, dessen Schein geteilt wurde bei den leicht schaukelnden Bewegungen und wie helle Scherbenstücke über die Gestalten und das Boot hinwegsprangen. Das Licht machte sie noch unwirklicher als sie es tatsächlich schon waren.
    Bisher war es ruhig gewesen. Abgesehen vom Plätschern des Wassers hatte Grace nichts gehört.
    Das Plätschern blieb, aber es nahm an Lautstärke zu, und auch das Boot begann, sich in Bewegung zu setzen.
    Die Knöchernen hatten ihre Ruder wieder in das dunkle Wasser gesenkt und zogen sie durch.
    Mit leicht schaukelnden und schwerfälligen Bewegungen fuhr das prall gefüllte Boot an. Es lag recht tief im Wasser, die Rudernden mussten sich schon anstrengen, um es in Bewegung zu halten.
    Sie glitten durch das dunkle Wasser. Das Ziel war die breite Nebelbank auf dem See. Sie lag an der Oberfläche wie festgeklebt und bewegte sich noch immer
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