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1173 - Der irre Doc

1173 - Der irre Doc

Titel: 1173 - Der irre Doc
Autoren: Jason Dark
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eine Begehung machen.«
    »Nein, ich nicht mehr, Sinclair. Meine Zeit ist um. Ich… ich… bin schon zu lange hier.« Es flammte zwar nicht eben Panik in seinen Augen auf, aber normal wirkte er auch nicht. Eher wie ein Mensch, der plötzlich Angst bekommen hatte.
    »Wenn du nicht willst…«
    »So ist es, John, ich will nicht.« Er drehte sich von mir weg und ging auf einen alten Schreibtisch zu, vor dem ein Stuhl stand. Auf der Platte standen ein altes schwarzes Telefon und eine ebenfalls alte Aktentasche, deren Leder bereits ziemlich brüchig geworden war. Erics Hand umklammerte den abgewetzten Griff, dann hob er die Tasche an und drehte sich der Tür zu. »Ich wünsche dir eine angenehme Nacht, mein Freund.«
    »Danke, ebenfalls.«
    Vor der Tür stehend hob er seine freie Hand. »Und lass dich von den Toten nicht ärgern. Im Normalfall sind sie harmlos. Aber man kann nie genau wissen. Vor allen Dingen nicht bei Vollmond.«
    »Ich habe verstanden.«
    »Und dann noch was«, sagte er und senkte dabei seine Stimme, als hätte er Angst, dass jemand zuhören konnte. »Ich sage es nicht jedem, John, aber du gefällst mir irgendwie.« Mit dem linken Zeigefinger deutete er auf die rechte Schreibtischseite. »Ganz unten in der hohen Schublade steht noch eine Flasche Gin. Sie ist fast voll. Wenn dir hier alles auf den Wecker geht, dann nimm ein paar Schlucke. Du glaubst gar nicht, wie das manchmal über die Runden hilft.«
    »Danke für den Rat!«
    »Ach, nichts zu danken. Das geht schon in Ordnung.« Er kicherte. »Wir Lebenden müssen ja irgendwie zusammenhalten, sage ich mal. Oder denkst du anders?«
    »Auf keinen Fall.«
    »Wunderbar.« Eric Lamont winkte mir zu wie der fröhliche Wandersmann, zog die Tür auf und ging mit einem sehr hastigen Schritt nach draußen. Mit einem dumpfen Schlag fiel die Tür ins Schloss, und ich war allein…
    ***
    Jetzt erst fiel mir die Stille auf. Das heißt, so ganz still war es nicht. Eric hatte Recht. Da war schon etwas im Hintergrund zu hören. Dieses Summen der Aggregate, die für die nötige Temperatur sorgten, denn Leichen mussten nun mal gekühlt werden. Da gab es keinen anderen Weg. Wer sich mit ihnen beschäftigte, wollte es nicht mit verwesten Kreaturen zu tun haben.
    Ich hatte schon einiges in meiner Laufbahn durchgemacht. So leicht schockte mich nichts. Dennoch spürte ich, dass auch ich Nerven hatte. Genau wusste ich es nicht, aber es war durchaus möglich, dass mein Herz schneller als gewöhnlich schlug, denn diese seltsame und auch unnatürliche Stille war schon gewöhnungsbedürftig.
    Ich war jetzt der Nachtwächter. Wobei die Nacht noch nicht angebrochen war. Auch im August waren die Tage noch lange hell. Die Dämmerung würde sich noch Zeit lassen, bevor sie sich daran machte, durch die Fenster zu kriechen.
    Zu dieser Galerie hoch führte eben die Eisentreppe. Ich sah dort oben die Türen und wollte wissen, ob sie tatsächlich abgeschlossen waren. Deshalb ging ich die Treppe hoch. Auf den gitterähnlichen Metallstufen waren meine Schritte die einzigen Geräusche, die diese Stille hier unterbrachen.
    Ich hatte die schmale Galerie, die durch ein Gitter abgestützt wurde, schnell erreicht. Die drei zur Auswahl stehenden Türen sahen alle gleich aus. Nicht allein, dass sie aus Metall bestanden und Rost angesetzt hatten, sie waren auch allesamt verschlossen. Was dahinter lag, darüber brauchte ich mir nicht viele Gedanken zu machen. Jedenfalls keine Leichen, wie mir Eric Lamont versichert hatte.
    An das große Nichts allerdings wollte ich auch nicht glauben.
    Da die Galerie nicht von zwei Seiten zu begehen war, ging ich wieder den gleichen Weg zurück.
    Vor einem der schmutzigen Fenster blieb ich stehen und warf einen Blick in den ebenfalls nicht sehr sauberen Hinterhof. Von Eric Lamont sah ich nichts mehr. Der hatte sich so schnell wie möglich aus dem Staub gemacht. Das hätte ich an seiner Stelle auch getan. Ich hatte einen leeren Hinterhof betreten, und dabei war es auch geblieben. Es gab niemand, der sich zwischen den alten Rückseiten der Häuser aufhielt. Es spielten auf dem Gelände auch keine Kinder. Jeder hier schien zu wissen, was sich hinter den Mauern dieses Baus tat, und die Angst vor Leichen saß wohl tief in jedem Menschen. Das war ganz natürlich.
    Bisher hatte ich kein Licht eingeschaltet. Jetzt, wo es immer mehr eintrübte, fand ich es besser, meinen Job im Hellen zu verrichten. Es gab hier oben einen Schalter, auf den ich drückte. Unten entdeckte ich
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