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1173 - Der irre Doc

1173 - Der irre Doc

Titel: 1173 - Der irre Doc
Autoren: Jason Dark
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Es gab hier mal ein Hospiz für Arme. Kranke, die kein Geld hatten, um sich einen Arzt leisten zu können. Aber das liegt sehr lange zurück. Es entspricht nicht mehr der Zeit, wissen Sie? Heute hat sich alles verändert. Die Räume sind leer, die Mauern wurden eingerissen. Man hat den Schutt nicht weggeschafft. Oder nicht alles. Zum Teil liegt er dort oben noch herum. Ich habe das Haus in diesem Zustand übernommen. Irgendwann werde ich mal mit den Aufräumarbeiten beginnen. Das habe ich mir fest vorgenommen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Okay, das ist alles gut und schön, was Sie mir gesagt haben. Ich begreife nur nicht, dass Sie Ihre Firma in diesem baufälligen Haus untergebracht haben. Das ist für mich ein großes Problem. Wären Sie anderswo nicht besser aufgehoben?«
    »Kann durchaus sein, Mr. Sinclair. Aber hier war es günstig. Ich werde meine Leichen-Kosmetik auch nicht für alle Zeiten hier durchziehen, darauf können Sie sich verlassen. Eine gewisse Zeit muss ich noch durchhalten, bis ich etwas Besseres gefunden habe. Ist nicht einfach hier in London. Besonders nicht bei den Preisen.«
    Da musste ich ihm Recht geben. Ich wechselte das Thema, während Walters sich wieder Schweiß aus dem Gesicht wischte. »Und Sie haben nicht den geringsten Verdacht, wer sich an den Toten hätte zu schaffen machen können?«
    »Nein, den habe ich nicht. Aber ich habe Ihnen auch kein Märchen erzählt. Sie selbst haben die Fotos gesehen. Die Toten sahen einfach grauenhaft aus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen dazu in der Lage sind.« Er schaute zu Boden. »Manchmal denke ich, dass sie von einer anderen Kraft geleitet werden. Welche auch immer dahinter stecken mag.« Er grinste mich an. »Aber Sie sind der Spezialist, Mr. Sinclair, und werden es sicherlich herausfinden. Niemand weiß, wer Sie wirklich sind.«
    »Ja, das habe ich bei Lamont bemerkt. Sie hatten bisher nur Studenten als Vertretung eingestellt.«
    »Richtig. Medizinstudenten. Die müssten den Umgang mit den Toten gewohnt sein.«
    »Da ist nichts passiert?«
    »Doch, auch. Das haben sie nur nicht gesehen. Es geschah während ihrer Nachtwache. Erst meine Mitarbeiter haben zu Beginn ihrer Schicht das Grauen entdeckt. Für mich ist es einfach ein Perverser, der so etwas den Toten antut.«
    Ich nickte ihm zu. »Ja, das dachte ich mir auch, Mr. Walters.« Dann lächelte ich. »Es ist noch Zeit. Da liegen einige lange Stunden vor mir.«
    »Um die ich Sie nicht beneide, Mr. Sinclair. Umso höher schätze ich Ihren Job hier ein.«
    »Danke sehr.«
    Vernon Walters rutschte von der Schreibtischkante und schaute dabei auf seine Uhr. »Ich muss noch etwas arbeiten und mich um den schriftlichen Kram kümmern.« Er legte mir seine Visitenkarte auf den Tisch. Sie war schon feucht von der einzigen Berührung geworden. »Wenn etwas sein sollte, Mr. Sinclair, ich bin immer für Sie erreichbar.«
    »Danke, das werde ich mir merken.«
    Er ging zur Tür. Ich erhob mich und blieb ihm auf den Fersen. Walters rollte beim Gehen. Jeder Schritt schien bei ihm zu einer Qual zu werden. Als ich neben ihm an der offenen Tür ebenfalls stehen blieb, hatte er eine regelrechte Leidensmiene aufgesetzt. So wie er sah jemand aus, der es im Leben sehr schwer hatte. »Vielleicht schaffen Sie es ja, Mr. Sinclair. Ich würde es mir wünschen.«
    »Ich mir auch.«
    »Dann bis später.«
    Er musste die Tür noch weiter öffnen, um endlich nach draußen gehen zu können. Seinen Wagen, einen schwarzen Van mit getönten Scheiben, hatte er nahe der Tür abgestellt, um nur nicht lange laufen zu müssen. Schwitzend und leicht stöhnend öffnete er die Fahrertür und schwang sich auf den Sitz. Ein kurzer Wink in meine Richtung, dann hämmerte er die Tür wieder zu.
    Wenig später fuhr er ab. Die Ausfahrt war zum Glück breit genug, um den Van durchzulassen. Er rollte wie ein geducktes Ungeheuer mit glühenden Augen am Rücken durch die Dunkelheit des Hofes und war meinen Blicken sehr bald entschwunden.
    Bevor ich im Haus verschwand, warf ich noch einen letzten Blick zum Himmel. Dort malte sich in der Bläue als gelber Kreis der Mond ab. Ich sah die Schatten auf seiner Oberfläche jetzt überdeutlich und hatte den Eindruck, von einem großen Auge aus der Tiefe des Alls beobachtet zu werden.
    Es war eine seltsame Zeit, in der ich lebte. Aber das hatten die Leute schon immer zu allen Zeiten gesagt. Nur trafen sich jetzt zumindest in meinem Job die unterschiedlichsten Ströme. Da lebte die modernste
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