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1073 - Liebling der Toten

1073 - Liebling der Toten

Titel: 1073 - Liebling der Toten
Autoren: Jason Dark
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versucht, einzugreifen.
    Nur von uns sahen sie nichts. Wir waren jetzt der Joker oder der Trumpf im Hintergrund. Aber wir mußten aufpassen und durften uns nicht den geringsten Fehler erlauben, dann war es um unseren Freund Tanner geschehen. Dieser Miller machte nicht den Eindruck, als hätte er Mitleid mit den Menschen.
    Die Lage war wie eingefroren. Es passierte nichts. Ich hatte mich etwas gebückt und konnte so durch eine Lücke im Regal schauen. Dabei geriet das Profil des Killers in mein Blickfeld. Ich erkannte, daß er leicht die Lippen bewegte. Er war also nicht stumm und gab seine Botschaft weiter.
    Zwei Männer standen hinter der Theke. Beide hatten die Arme erhoben und wirkten wie Ölgötzen. Ich schüttelte den Kopf. »Wäre Tanner doch in seinem Büro geblieben. Da scheint seine Frau schon den richtigen Riecher für eine Gefahr gehabt zu haben. Es wird nicht einfach sein, ihn da wieder rauszuholen.«
    »Wir sollten sie beide rauskommen lassen«, sagte Suko leise. »Das sowieso.«
    »Es gibt da den finalen Rettungsschuß…«
    Ja, das wußte ich auch. Aber er barg ein Risiko. Man mußte wirklich genau und tödlich treffen. Der Killer durfte auch nicht dazu kommen, den Finger zu krümmen. Ein letzter Reflex hätte das Leben der Geisel ausgelöscht.
    Noch hielten sie sich im Raum auf. Ich machte mir Gedanken darüber, wie es weitergehen würde. Wollte der Killer Tanner als Geisel mitnehmen? Ihn irgendwann wieder ausladen und dann allein weiterfahren, wenn keine Verfolger in Sicht waren?
    Er sagte wieder etwas. Es mußte ein Abschlußwort gewesen sein, denn Sekunden später zog er sich zurück. Er bewegte sich dabei mit sehr kleinen Schritten nach hinten, ohne auch nur die Mündung des Schalldämpfers vom Hals des Chief Inspectors zu lösen.
    Mit der anderen Hand zog er Tanner mit, dessen Gesicht wir jetzt besser sahen.
    Nein, der Ausdruck zeigte keine Angst. Tanner war auch zu lange im Geschäft und abgebrüht. Sicherlich hatte er Furcht, nur behielt er sie für sich. Sein Gesicht sah eher wütend aus, wie bei einem Menschen, der sich über sein eigenes Tun wahnsinnig geärgert hatte. So mußte es auch Tanner ergangen sein. Er war wütend, das sah man ihm an.
    Wir konnten nicht angreifen. Beide mußten erst den Bau verlassen haben, und auch dann war es noch schwer genug. Beide zogen sich zurück. Sie passierten den leblos am Boden liegenden Kollegen, und ich sah, wie Tanners Augen sich bewegten.
    Immer näher kamen sie der Tür. Weiterhin gingen sie rückwärts, und die verdammte Mündung »klebte« an Tanners Hals. Zu allem Unglück bemerkten wir, daß ein Fahrzeug von der Straße abgebogen war. Ein dunkler Saab, der ziemlich zügig die Zapfsäulen anfuhr und dort anhielt, wo er dem Lancia des Killers seitlich gegenüberstand.
    Eine Frau verließ in dem Augenblick den Wagen, als sich die Tür vor den beiden Männern öffnete. Ihre Haltung hatte sich nicht verändert, noch immer gingen sie zurück. Während die Frau damit beschäftigt war, den Tankdeckel zu lösen und keinen Blick hob, hatte der Killer bemerkt, daß sich etwas tat.
    Er drehte den Kopf.
    Ob er die Frau hinter den Zapfsäulen gesehen hatte, zeigte er nicht. Uns jedenfalls hatte er nicht entdeckt, denn wir hatten uns wieder hinter die Ecke zurückgezogen - und hörten hinter uns die leisen Schritten Suko drehte sich um, während ich so blieb.
    Ich hörte ihn flüstern. »Bleibt ja da stehen!«
    Jetzt schaute ich auch hin.
    Es waren zwei von Tanners Leuten, die wohl einen hinteren Ausgang genommen hatten. Sie waren beide blaß. Lange taten sie in der Crew noch nicht ihren Dienst, denn ihre Gesichter sahen noch ziemlich jung aus.
    »Und kein Wort!« zischelte ihnen Suko zu.
    Wir wollten Tanners Leben retten, und dabei mußten wir verdammt behutsam zu Werke gehen.
    Ich riskierte wieder einen Blick. Der Killer war nur wenige Schritte weitergegangen, aber er hatte jetzt die Richtung geändert, weil er sich seinem Wagen nähern wollte.
    Auch Tanner hatte seine Sprachlosigkeit überwunden. Er versuchte es auf seine Weise. »Sie schaffen es nicht, Miller, Sie haben die schlechteren Karten.«
    »Das sehe ich nicht so, Bulle.«
    Nicht nur wir hatten die Worte gehört, sondern auch die Frau aus dem Saab. Bisher war sie zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt gewesen, nun aber horchte sie auf, richtete sich aus ihrer gebückten Haltung auf und schaute durch eine breite Lücke zwischen zwei Zapfsäulen hindurch.
    Was sie sah, ließ sie erstarren.
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