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1061 - Die Macht der Rhein-Sirenen

1061 - Die Macht der Rhein-Sirenen

Titel: 1061 - Die Macht der Rhein-Sirenen
Autoren: Jason Dark
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vorkommen wie Kinder, die zum erstenmal mit dem Phänomen des Weihnachtsmannes konfrontiert worden waren. Sie hatten schon etwas Unglaubliches erlebt. Was sie jetzt allerdings sahen, das gab dem anderen noch eine Steigerung. Diese Person kannten sie nicht. Auch sie stand oder schwebte auf den Wellen, ohne von ihren Bewegungen gestört zu werden, denn sie rührte sich nicht von der Stelle. Das Wasser schien gar nicht vorhanden zu sein. Es gab nur sie und das Boot mit den beiden Männern.
    Sie schaute hin.
    Ihr Blick war kalt. In den Augen leuchtete das Licht. Das Gesicht sah normal aus oder fast normal, wie auch die runden Augen. Doch der Körper war es nicht. Je mehr er sich dem Wasser zuneigte, um so stärker verschwamm er. Er schien sich aufzulösen und tauchte hinein in die Fluten, die ihn verschluckten.
    Die Frau war nicht nackt. Sie trug eine Kutte oder ein Kleid mit hochgeschobener Kapuze. Nur ihr Gesicht lag frei, und das war für sie am wichtigsten.
    Dann hielt sie noch etwas mit ihrer rechten Hand umklammert.
    Den Arm hatte sie dabei nach vorn gestreckt. Es war ein Gegenstand, der an ein Messer erinnerte. Zudem lief er an seinem Ende spitz zu, aber er war nicht so dunkel wie eine Klinge und auch nicht so dünn. Das Material bestand nicht aus Stahl. Es sah mehr aus wie helles Holz, doch darüber machten sich die Männer keine Gedanken. Dieses neue Phänomen hatte sie regelrecht einfrieren lassen.
    Beide trauten sich nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Sie spürten, daß die andere Person eine Botschaft für sie hatte, und warteten darauf, daß sie ihnen mitgeteilt wurde. Eine Flüsterstimme wehte über das Wasser hinweg auf sie zu. Vermischt mit dem Gurgeln der Wellen, aber trotzdem noch zu verstehen.
    »Ich werde in ihrem Namen weitermachen. Ich bin ausersehen worden. Ich bin Hildegarda. Ich weiß die Wege. Ich weiß, daß die Menschen bekehrt werden können, und ich werde sie zu ihrem Glück zwingen. Alles Ungerechte muß ich aus der Welt schaffen, um so zu leben, wie sie es damals vorgemacht hat. Ich werde wieder ein Kloster bauen und mit meinen Schwestern dort wohnen. Ich rei ße den Himmel auf, damit er die Schatten des Bösen verschlingt…«
    Jedes Wort hatte seinen Sinn. Das begriffen die Männer schon. Nur kamen sie damit nicht klar. Sie konnten es einfach nicht verstehen.
    Aber sie hatten einen Namen gehört.
    Hildegarda!
    Nie würden sie ihn vergessen. Sie würden sich stets und ständig daran erinnern, wie an die Namen ihrer Töchter.
    Günter Heller drehte den Kopf. Er wollte seinen Freund Helmut anschauen, um von ihm zu erfahren, was er dachte. Doch Kluge hielt den Mund geschlossen. Er konnte einfach nicht reden. Es hatte ihm die Sprache verschlagen.
    Hildegarda ging weiter. Sie brauchte keinen Anstoß zu bekommen. Sie setzte sich einfach in Bewegung. Ihre Füße berührten die schaumigen Wellenkämme so gut wie nicht. Locker glitt sie darüber hinweg, einem neuen Ziel entgegen, dem anderen Ufer.
    Sie verschwand nur intervallweise. Für die beiden Männer sah es aus, als senkte sich ein Vorhang über die geisterhafte Person hinweg. Dann war sie nicht mehr zu sehen.
    Vorbei…
    Günter und Helmut schauten sich an. Beide hoben ihre Schultern, wie abgesprochen.
    Heller faßte sich diesmal als erster. »Wer ist das gewesen, Helmut?«
    »Hildegarda.«
    »Das habe ich auch gehört. Doch woher kommt sie? Und wo gehört sie hin? Kannst du mir das sagen?«
    »Nein.«
    Heller wollte es nicht wahrhaben. Er atmete scharf ein und sprach weiter. »Ich will es dir sagen, mein Freund. Ich kann es dir genau sagen. Diese Person gehört zu den anderen. Auch zu unseren Töchtern. Sie ist diejenige, der sie nacheifern. Nichts anderes, Helmut. Ich weiß das.« Er deutete auf seine Brust. »Hier – hier spüre ich es genau, verdammt.«
    »Und was spürst du noch?«
    »Sonst nichts. Ich schaffe es nicht. Ich weiß nicht mehr, was da noch geschieht.«
    Kluge schaute zum Ufer hinüber. Er zuckte die Achseln. Die Geste wirkte resignierend. »Das weiß ich auch nicht, wenn ich ehrlich sein soll«, murmelte er. »Und dabei wollte ich dich fragen, ob unsere beiden Töchter noch leben oder schon tot sind. Aber darauf kannst du mir wohl auch keine Antwort geben.«
    Heller nickte. »So ist es. Ich weiß es nicht. Ich habe einfach keine Ahnung mehr. Es ist mir alles über den Kopf gewachsen. Ich verstehe das alles nicht.«
    »Trotzdem müssen wir etwas tun!«
    »Was denn?«
    Die Männer schwiegen sich an. Keiner wußte sich Rat.
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