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1060 - Die Mystikerin

1060 - Die Mystikerin

Titel: 1060 - Die Mystikerin
Autoren: Jason Dark
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die Sonne, und so drang durch das Fenster nicht viel Licht.
    Wir brauchten trotzdem keine Lampe, um den Mann sehen zu können, der bäuchlings über dem Tisch lag, so daß wir auf den Rücken des bewegungslosen Körpers schauen konnten.
    Der Mann trug einen alten Stoffmantel mit Fischgrätmuster. Das allerdings war ebenso von zahlreichen Messerstichen zerstört worden wie der Körper darunter.
    Die Klinge hatte tiefe Wunden hinterlassen, aus denen Blut gesickert war. Innerhalb des Stoffs hatte es sich verteilt und dem Mantel eine rostbraune Farbe gegeben.
    Das Gesicht des Toten war nicht zu sehen, da es auf der Platte lag.
    Nur der graue Bart fiel mir auf, der an den Seiten entlangwuchs.
    Auch in ihm klebten einige rote Spritzer.
    Ich bezweifelte, daß der Täter oder die Täterin den Mann auf dem Tisch liegend getötet hatte. Wahrscheinlich hatte man ihn dort hingelegt. Mir erschien der Tote, als wäre er aufgebahrt worden wie eine Leiche kurz vor der Beerdigung.
    Jane stand neben dem Tisch. Sie hatte die Augen für einen Moment geschlossen gehalten und war bleich geworden. Jetzt schaute sie mich an und schüttelte den Kopf wie jemand, der etwas sieht, es aber nicht glauben will.
    »Amy«, flüsterte sie. »Das muß Amy gewesen sein. Es gibt für mich keine andere Möglichkeit. Und ich habe gehofft, sie von einer Tat abhalten zu können.«
    Ich blieb an der Tür stehen, die fast bis an die Wand zurückgeglitten war. Denn so brauchte ich nur den Kopf nach links zu drehen, um in den Flur hineinschauen zu können.
    Dort tat sich nichts. Er blieb leer. So kalt. In ihm vereinigte sich der Geruch des Todes. Wie ein Hauch, der sich in den alten Wänden festgesetzt hatte.
    Irgendwo in diesem Haus lauerte eine Mörderin mit stoßbereiter Messerklinge. Sie war sicherlich bereit, auch einen zweiten und dritten Mord zu begehen. Deshalb mußten wir aufpassen. Die Täterin hatte nicht in Panik reagiert, sie hatte genau gewußt, was sie tun wollte, und die Leiche sogar auf den Tisch gelegt.
    »Blut ist auch auf dem Boden zu sehen!« flüsterte mir Jane zu. Sie hatte genug gesehen und verließ ihren Platz nahe der Leiche. Mit leisen Schritten kam sie zu mir. Ich stand noch auf der Schwelle der Tür, schaute mal in den Flur und dann wieder in das Zimmer hinein.
    »Sie ist nicht entkommen«, flüsterte mir Jane Collins zu. »Sie hält sich noch hier im Haus auf. Ich spüre es. Wir müssen endlich die anderen Zimmer durchsuchen.«
    Im Flur knarrte etwas. Sofort hielt Jane ihren Mund. Ich drehte mich um. Beide wußten wir, daß es weiterging. Uns hatte eine irrsinnige Spannung erfaßt.
    Die letzte Tür auf der rechten Seite war aufgeschwungen. Sie hatte von innen her Druck erhalten, aber noch zeigte sich niemand. Und so tickte die Zeit dahin.
    Jane und ich standen im Gang. Die Blicke ebenso nach vorn gerichtet wie die Mündungen der Waffen. Unsere Gesichter gaben einiges von der Anspannung wider, die uns erfaßt hatte. Bisher hatte ich Amy nur für einen Moment gesehen, was sich nun änderte. Mit einem langen, gleitenden Schritt übertrat sie die Türschwelle und befand sich plötzlich vor uns.
    Sie drehte sich nach links.
    Dann schaute sie uns an.
    Es war genau das Bild, das ich schon bei meinem Blick durch das Fenster gesehen hatte.
    Amy, eine junge Frau zwischen dem zwanzigsten und fünfundzwanzigsten Lebensjahr, wirkte wie von dieser Welt entrückt. Das weiße Kleid reicht ihr bis zu den Knöcheln. Mich erinnerte es an ein Leichentuch. An verschiedenen Stellen malten sich Blutflecken in unterschiedlicher Größe ab, und auch über die Klinge hinweg rann die dunkle Flüssigkeit, die sich an der Spitze zu Tropfen sammelte.
    Einige fielen auch jetzt noch zu Boden.
    Wir schauten uns an. Amy reagierte nicht. Sie war entrückt, nicht mehr in dieser Welt. Wie eine Frau, die in ihrem Wahnsinn gefangen worden war.
    Ihr Gesicht lebte. Trotzdem war es tot, weil sich nichts darin rührte. Schmal, bleich. Große Augen. Weit aufgerissen und auch leicht verdreht. Um den Mund herum hatte sich Schmutz abgesetzt. Vielleicht war es auch Blut, so genau erkannten wir das nicht. Den rechten Arm hielt sie angewinkelt und leicht erhoben. Ihre Finger umschlossen den Griff des Küchenmessers mit hartem Griff.
    »Laß es mich machen, John!« zischelte Jane mir zu.
    »Okay.«
    Da Amy sich nicht bewegte, ging Jane einen Schritt vor. Ich sah, daß sie lächelte. Die Waffe steckte sie weg. Allerdings vorn in den Gürtel der Hose, um sie wieder ziehen zu können.
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