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105 - Der Ruf nach Freiheit

105 - Der Ruf nach Freiheit

Titel: 105 - Der Ruf nach Freiheit
Autoren: Stephanie Seidel
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ihren Weg, hatte das vorderste die besten Chancen, lebend durchzukommen.
    Der Clanchef entdeckte Aruula und zeigte im Laufen mit dem Finger auf sie. Eine Wolke schob sich vor den Mond.
    Endro stolperte in der plötzlichen Dunkelheit und fiel der Länge nach hin. Seine Männer überholten ihn. Aruula wartete, bis sie nahe genug heran waren. Dann sprang sie vom Felsen und lief los.
    Gestank war das erste, was ihre Sinne erfassten, als sie den Schlafplatz der Walpaaki betrat. Rechts und links war Bewegung in der Finsternis, erwachendes Grunzen und das harte Klacken aneinander schlagender Langzähne.
    Hastig sah Aruula zum Himmel. Die Wolke war klein und von einem Strahlenkranz umgeben - und sie hielt das lebenswichtige Mondlicht zurück. Ein Fehltritt, ein Stolpern und sie war verloren!
    Hinter ihr gellte ein Schrei durch die Nacht. »Walpaaki!«
    Die Tiere wuchteten sich von den Schlafplätzen hoch, als hätte sie ein Weckruf erreicht. Dass ein Beutestück bereits in ihrer Mitte war, hatten sie noch nicht gemerkt.
    Der Barbarin schlug das Herz bis zum Hals auf ihrem Lauf durch die Kolonie: Immer wieder stieß sie in der lichtlosen Nacht an riesige Körper. Nur weil sie so klein war und die Walpaaki im Dunkeln ebenfalls nichts sehen konnten, überlebte sie diese Berührungen. Bisher.
    Hinter ihr waren schreckliche Geräusche zu hören - das Morden hatte begonnen. Aruula sehnte sich mit jeder Faser ihres Körpers danach, den Bihänder zu ziehen und ihren Weg zum rettenden Wasser einfach freizuschlagen. Doch das durfte sie nicht! Walpaaki waren Kannibalen, und der Blutgeruch hätte die landeinwärts strebenden Tiere umkehren lassen.
    Plötzlich floss kaltes Silberlicht über die Strände. Der Mond kam aus den Wolken, und Aruula warf sich mit einem beherzten Satz zur Seite, als ein Nachzügler der Herde sichtbar wurde. Vor ihr schäumte die Brandung auf. Aruula wich ins Meer aus, bis das eisige Wasser ihre Knie umspülte.
    Dann lief sie nach Osten. Ihr Kampf war noch lange nicht zu Ende…
    ***
    Während Aruula ihre Häscher in den Tod führte, sah Rulfan einer ganz anderen und - nach seinem Empfinden - nicht minder schrecklichen Schlacht entgegen. Simmii hielt seine Hand umklammert wie eine Trophäe und zog ihn unerbittlich vorwärts. Rulfan trottete hinter ihr her und versuchte sich einzureden, dass das alberne Kichern vorbeigehender Mädchen jemand anderem galt.
    Erst war Simmii enttäuscht gewesen, dass seine Mannespracht nicht bereits den Stoff der Hose ausbeulte. »Du hast den Braten nicht gegessen?«, hatte sie gefragt. Doch als sie begriff, dass Rulfan sie offenbar auch ohne Kinksais haben wollte, wandelte sich die Enttäuschung schnell in fiebrige Vorfreude.
    Überall in den Hütten brannte Licht - kleine Herdfeuer, die Wärme verbreiteten und den Schnee auf den Dächern zum Schmelzen brachten. Trotz der späten Stunde war überall Bewegung im Dorf. Kinder zumeist, die in irgendein Spiel vertieft durch die Straßen liefen. Ihre Mütter hörte man am heimischen Herd rumoren - einige bereiteten Essen vor, die meisten aber waren mit der Herstellung von Kinksais beschäftigt.
    Rulfan sah sie durch die Fenster, wie sie auf Schemeln zwischen den Körben hockten und die getrockneten Schnecken in Walpaaki-Darm füllten: Erst kam ein Knoten, dann eine eichelgroße Körnerportion, dann noch ein Knoten. Kurzer Schnitt mit dem Messer, ein Wurf aus dem Handgelenk und wieder landete ein kleiner Freudenspender im Korb.
    »Du willst zum Haus deiner Eltern?«, fragte Rulfan, als die Marschrichtung klar wurde. Er verhielt seinen Schritt.
    Simmii sah ihn schmachtend an. »Natürlich - da wartet mein weiches warmes Bett auf uns!«
    Das habe ich befürchtet , dachte Rulfan, rang sich jedoch ein Lächeln ab. Er durfte die Hoggad nicht verärgern.
    Wieder handelte er gegen seine Natur - indem er sich besorgt und ängstlich gab. »Es wäre mir lieber, wenn wir woanders… zusammen sein könnten«, sagte er. »Dein Vater bringt mich auf der Stelle um, wenn er uns findet. Euer Haus ist mir zu gefährlich… und das bremst meine Lust«, fügte er als Wink mit dem Zaunpfahl an.
    Simmii war sich unschlüssig. »Aber wo… ?«
    Rulfanhalf ihr auf die Sprünge: »Wie wär's mit der Schmiede?«, schlug er vor. »Da ist nachts kein Betrieb und es brennt immer ein gemütliches Feuer.«
    Simmii schien wenig begeistert. Vermutlich fürchtete sie sich schmutzig zu machen.
    »Na komm schon!«, brachte Rulfan heraus, rau und irgendwie ungeduldig. »Ich
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