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1049 - Der Geist des Vaters

1049 - Der Geist des Vaters

Titel: 1049 - Der Geist des Vaters
Autoren: Jason Dark
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gewesen? So genau bekam ich es nicht mit. Ich hörte diese Geräusche auch weiterhin. Die Füße standen noch mehr beisammen als der Oberkörper. Zwei Hälften drängten sich zu verschiedenen Seiten hin weg.
    Wieder sprach Nico. Oder war es mein Vater? »John, du hättest es nicht tun…«
    »Dad, ich konnte nicht anders. Auch um deinetwegen. Du sollst endlich Ruhe finden. Ein für allemal, Dad. Deshalb habe ich es getan. Bitte…«
    Heulen, Schreien. Es war alles zu hören. Es ging ineinander über. Es war der reine akustische Schrecken, der mich beinahe in den Wahnsinn trieb.
    Der zu einer Figur gewordene Mensch bröckelte immer weiter auseinander. Ich wunderte mich, daß er sich noch auf den Beinen halten konnte. Es war unwahrscheinlich, als hätte eine fremde Regie dafür gesorgt.
    Zwei Gesichtshälften. Zwei Augen die so schrecklich dunkel waren, als bestünden sie nur noch aus irgendwelchen Höhlen, in denen es kein Leben mehr gab.
    Ich holte tief Luft. Spürte meine Übelkeit…
    Vor dem Schreibtisch stehend, schwankte ich hin und her. Die Trümmer der Statue lagen auf der Platte. Das Schwert des Salomo hatte die Verbindung zerhackt.
    Wieder ein Ruf. Worte, die aus einer nicht meßbaren Ferne gesprochen wurden. »John… John… du hast es geschafft. Du hast geschlagen. Du hast die Verbindung unterbrochen, John. Es ist alles anders geworden. Ich bin nicht mehr da, John… Good bye für immer, Junge…«
    Die Worte hatten mich hart getroffen. Es kam schon einem kleinen Wunder gleich, daß ich noch immer auf den Beinen stand. Mein Blick war nach vorn gerichtet. Ich wußte nicht mehr, was ich denken sollte. Meine Tränen rannen als kalte Perlen an meiner Gesichtshaut entlang.
    Ich atmete schwer. In meinem Kopf spürte ich Leere. Mein Herz schlug auch weiterhin, obwohl ich mir selbst vorkam wie eine Statue. Ich konnte mich kaum bewegen. Die letzten Worte meines Vaters hämmerten noch im Kopf nach.
    Good bye für immer…
    »Mach's gut, Dad!« flüstert ich. Vielleicht konnte er mich ja hören. Die Trauer war da, zugleich auch ein gutes Gefühl. Ja, ich fühlte mich gut, denn ich wußte, daß mein Vater endlich seinen Frieden gefunden hatte.
    Weinen und Lachen liegen oft dicht beieinander. Ich konnte plötzlich lächeln, während mich gleichzeitig ein warmes Gefühl durchströmte. Für diesen Moment hatte ich den Eindruck, als befände sich der Geist meines Vaters in mir, um mir die entsprechende Kraft für weitere Aufgaben zu geben.
    Auf dem Schreibtisch vor mir lag Staub. Es war einmal die Statue gewesen.
    Und Nico?
    Ich setzte mich langsam in Bewegung und umschritt das breite Möbelstück. Nico lag zwischen ihm und der Tür. Natürlich lebte er nicht mehr, und mein Blick fiel auf zwei Hälften.
    Ich schloß die Augen. Die Schatten hatten sein Blut in sich hineingesaugt. Er blutete deshalb nicht und schien zuletzt tatsächlich die Form der Statue angenommen zu haben. Da war es zu einem Wechselspiel gekommen.
    Er würde begraben werden, und ich war froh, einen Mann wie Terence Bull zu kennen. Er würde dafür sorgen, daß dieses Begräbnis so diskret wie möglich über die Bühne ging.
    Ich mußte ihn informieren, doch zuvor rief ich meinen Freund Suko an. Er hatte noch nicht im Bett gelegen. Als er meine schwache Stimme hörte, war er alarmiert. »Verdammt, John, was ist geschehen? Du klingst so anders…«
    »Es ist vorbei, Suko. Du kannst in London bleiben. Hier sind die Dinge wieder in Ordnung gekommen.«
    Ich hörte ihn atmen. Er glaubte mir wohl nicht. »Wirklich in Ordnung?« fragte er dann.
    »Ja, ich denke schon. Jedenfalls haben jetzt beide ihre endgültige Ruhe gefunden. Meine Mutter und auch mein Vater. Alles andere später, bitte.« Ich legte auf. Um lange Erklärungen oder Berichte abzugeben, hatte ich nicht den Nerv.
    Ich verließ das Zimmer und stellte mich vor das zerbrochene Fenster. Die kalte Nachtluft tat mir gut. Ich atmete sie tief ein. Sterne schimmerten am Himmel, weil der Wind die Wolken aufgerissen hatte. Und irgendwo in dieser Unendlichkeit, die nicht faßbar war, befand sich jetzt der Geist meines Vaters.
    Es war gut so. Was gibt es Besseres als Menschen, die ihren endgültigen Frieden erhalten haben…
    ENDE des Zweiteilers
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