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100 Stunden Todesangst

100 Stunden Todesangst

Titel: 100 Stunden Todesangst
Autoren: Stefan Wolf
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300
Meter weiter, Olaf. Dann rechts den Feldweg entlang. Der ist so holprig und
zerpflügt, daß unsere Reifenspuren nicht auffallen. Jedenfalls nicht jetzt in
der Nacht. Und in den frühen Morgenstunden soll Schneefall einsetzen. Das deckt
alles zu.“
    „Wohin
geht’s dort?“ fragte Hartwig.
    „Zum
sogenannten Lehmann-Hof. Ist ein völlig heruntergewirtschafteter Bauernhof. Der
Alte, der dort haust, ist nicht mehr ganz dicht. Halb blind, glaube ich, und
mehr tot als lebendig. Hier in der Umgebung nennt man ihn den Einsiedler. Das
Gehöft liegt in einer Mulde. Man kann nicht einsehen, jedenfalls nur aus der Nähe.
Daß wir dort sind, vermuten die Bullen nie.“
    „Sondern?“
fragte Olaf gereizt.
    „Die werden
denken, wir haben Dröstdorf erreicht, bevor City 31 an Ort und Stelle war. Oder
wir sind nach Birkenrode zurück. Sonstwo werden die suchen. Aber garantiert
nicht heim Einsiedler.“

24. Sein Hund Alf
     
    Draußen,
dachte Locke, in der kalten Winternacht, die jetzt beginnt, spielen sich
schlimme Dinge ab. Aber hier, bei der Oma, ist es heimelig. Himmel! Wie das
trügt. Noch vorhin haben die beiden Verbrecher in Omas vier Wänden Terror
gemacht. Grausig — wenn einem das widerfährt.
    Sie saßen
zu viert am Tisch.
    Tom hatte
festgestellt, daß er ziemlich hungrig war. Selbstverständlich wurde er von Oma
versorgt.
    Den andern
war die Aufregung auf den Magen geschlagen. Eugenie trank Lindenblütentee,
Locke nippte an einem Glas Milch.
    „Ein Jeep“,
sagte Tom, „verschwindet nicht in einem Mauseloch. Aber irgendwo ist er
geblieben. Und zwar auf der Strecke zwischen hier und Dröstdorf. Daß die
Banditen umgekehrt sind, halte ich für unwahrscheinlich. Das wäre viel zu
riskant. Oma, du hast doch eine tolle Wanderkarte der Gegend. Können wir mal
nachsehen, was sich da anbietet?“
    Die Karte
wurde auf dem Tisch ausgebreitet.
    Sie
enthielt jeden Weg, jeden Steg, jede Sehenswürdigkeit, jedes Ausflugsziel.
Alles war verzeichnet.
    Locke
tippte auf eine Talmulde, einige Kilometer abseits der Straße.
    „Hier wohnt
der Einsiedler, nicht wahr? Hübsch einsam ist es dort. Kann ein Jeep dorthin
fahren?“
    „Locke-Schatz!“
meinte Tom. „Die Idee ist glänzend. Wenn ich Autobahn-Bandit wäre und in einer
Situation steckte wie die jetzt — der Lehmann-Hof wäre meine Zuflucht.“
    „Es gibt
aber noch andere Möglichkeiten“, sagte Oma und rückte an ihrer Brille. „Hier,
der Steinbruch. Hier, der ehemalige Bergwerkstunnel. Dann hier, das Gelände vom
Golfclub. Und...“ Sie sprach nicht weiter, sondern schüttelte den Kopf. „Nein!
Als Versteck ist nichts so gut geeignet wie Georg Lehmanns Einsiedler-Hof.“
    „Das sollte
man der Polizei sagen“, schaltete sich Eugenie ein. „Oder weiß die das schon?“
    Tom schob
sich das letzte Stück vom Schinkenbrot rein.
    „Mein neuer
Roller ist ganz versessen darauf, sich im Gelände zu bewähren. Ich heize mal
los. Falls wir uns irren, richte ich dem Einsiedler Grüße aus und bin bald
wieder zurück.“
    „Ich komme
mit“, sagte Locke.
    „Diesmal
nicht“, wehrte Tom energisch ab. „Wirklich nicht, Nina. Es ist kalt draußen.
Und dunkel. Außerdem schafft dein Mofa die Querfeldein-Strecke nicht. Drei der
vier Typen sind gefährlich. Ich allein kann die Flucht ergreifen, falls das die
Klugheit gebietet. Deine Begleitung, Schatzi, wäre mir hinderlich.“
    „Wenn du
bis Mitternacht nicht zurück bist“, sagte Locke mit lieblichem Lächeln,
„betrachte ich mich als jüngste Witwe der Republik und werde die Polizei auf
deine Spur setzen.“
    „Vielleicht
bleiche ich dann schon auf kahlem Felde im Mondlicht“, grinste Tom.
     
    *
     
    Im Wohnraum
war es angenehm warm.
    Alf, der
alte Mischlingshund, streckte sich auf den Dielen aus.
    Er hörte,
wie sein Herrchen in der Küche hantierte.
    Verlockender
Duft zog herein.
    Dann kam
Georg Lehmann, von allen Einsiedler genannt, und brachte seinem Lebenskameraden
das Fressen. Alf wedelte.
    Lächelnd
setzte sich Georg in den Schaukelstuhl und sah seinem Hund zu.
    Georg war
auf dem kleinen Bauernhof geboren und hatte hier sein Leben verbracht.
    Viel weiter
als nach Birkenrode oder Dröstdorf zog es ihn nicht. In der großen Stadt war er
nur selten gewesen.
    Jetzt
zählte er 78 Jahre — und hätte zufrieden sein können mit allem. Wäre nur dieses
schreckliche Unglück mit Julia, seiner Tochter, nicht gewesen.
    Naja, auch
das hätte schlimmer sein können.
    Und da sie
einen liebevollen Freund hatte, würde sie
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