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0985 - Libertys Tränen

0985 - Libertys Tränen

Titel: 0985 - Libertys Tränen
Autoren: Simon Borner
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bedeutet. Zeit, ihm zu zeigen, wie schmerzhaft Verlust ist. Zeit, ihn in seine Schranken zu verweisen.
    Ihn leiden zu sehen.
    ***
    »Whoa.«
    Amy schwankte, als die Energie des Nebels und des Leuchtens - des Tränensplitters, wie sie nun wusste - sie wieder entließ. Blinzelnd kehrte sie zurück in die Wirklichkeit, stand wieder zwischen Jennings und dem Spiegel.
    Und mit einem Mal wusste sie, was die Stunde schlug.
    Zamorra. Es geht um Rache an Zamorra.
    »Lassen Sie Nicole in Ruhe«, forderte sie, doch die Angst vor dem Unausweichlichen machte ihr das Sprechen schwer. »Hören Sie, Jennings? Rühren Sie sie nicht an. Wenn LUZIFER, oder wer auch immer Ihr Hintermann ist, den Professor für das bluten lassen will, was in New York geschah, dann soll er sich ihn vornehmen, und nicht sein Umfeld!«
    Jennings nickte.
    »Zamorra und Nicole kämpfen für das Gute, Mann. Sie sind auf Ihrer Seite!«
    Abermals das Nicken.
    »Lassen Sie zu, dass Sie helfen, Lyle. Lassen Sie sich helfen. Stoppen Sie diesen Wahnsinn, solange es noch geht.«
    Jennings machte einen Schritt vor. »Das würde ich gern«, sagte er leise und streckte die Arme nach der gefesselten Amy aus. »Aber genau das ist ja der Punkt: Es geht nicht mehr.«
    Bevor sie noch etwas erwidern konnte, wurde Amy Williams von ihm gepackt. Grobe Hände ergriffen sie an den Oberarmen, drehten sie um die eigene Achse und zwangen sie, das Gesicht abermals dem Spiegel zuzuwenden.
    »Was… Jennings, was… haben Sie vor?«
    »Es tut mir leid, Amy«, raunte Jennings mit erstickter Stimme. »Vergeben Sie mir.«
    Die Nebelschwaden schienen immer näher zu kommen. Das unheimliche Leuchten strahlte ihr direkt in die Augen.
    Nein. Bitte nicht.
    Wampage, hauchte eine teuflische Stimme in ihrem Geist.
    »Nein…«
    Dann gaben die Hände ihr einen Schubs, und Officer Amy Williams vom CIPD, deren Herz vor Angst zu zerspringen drohte und deren Atem stockte, taumelte wehrlos vor in das Grau. Ihr letzter Gedanke galt Andy Sipcowicz.
    ***
    »Was genau soll ich da?«
    John Roslyn beugte sich auf der ledergepolsterten Rückbank seiner Dienstlimousine vor, öffnete die Bar und nahm deren Inhalt kritisch in Augenschein: zwei Flaschen Rum, eine halbe Flasche Curacao, eine Flasche Baileys, Orangensaft und Eis. Was in Dreiteufelsnamen glaubte Cleavage eigentlich, was er hier hinten trieb? Eine Cocktailbar eröffnen?
    »Wo, Sir?«, drang ihr zartes Stimmchen vom Beifahrersitz.
    John griff nach dem Rum und wünschte sich, er hieße Scotch. Oder wenigstens Bier. »Na, auf dem Termin. War das jetzt nicht das Ding, vor dem dieser Lieutenant mich heute Morgen warnte?«
    Cleavage kicherte. »Verzeihen Sie, Sir. Das NYPD hat sich da wohl einen Scherz mit uns erlauben wollen. Dieser Anruf hätte nie zu Ihnen durchgestellt werden dürfen.«
    John hatte sich inzwischen ein Wasserglas zu einem Drittel gefüllt, warf dem Behältnis mit den Eiswürfeln einen spöttischen Blick zu und trank. Erst als der Alkohol brennend seine Kehle hinablief, fühlte er sich halbwegs lebendig.
    Wie überhaupt zwei Drittel meiner täglichen Bittsteller, dachte er bitter. Diese Stadt schien ihn für ihren persönlichen Hampelmann zu halten, der immer sprang, wenn sie an ihm zog. Dabei, fand er, sollte es eher umgekehrt sein. Kein Wunder, dass es mit der Stadt und dem Land im Allgemeinen vor die Hunde ging. Die Amerikaner des einundzwanzigsten Jahrhunderts waren ein bequem gewordenes, politisch desinteressiertes bis unfähiges Pack, das stets den Weg des geringsten Widerstands einschlug, anstatt sich durch ehrliche Arbeit und Risiken ein besseres Morgen zu erarbeiten.
    Kaum zu glauben, dass er tatsächlich einmal für diese faule Bande in den Krieg gezogen war. Dass er den Willen besessen hatte, sein Leben, seinen wertvollsten Besitz, für den Erhalt eines Systems zu opfern, das heute so adipös und lahmarschig wirkte wie seine Anhänger.
    Draußen vor den Fenstern des Wagens glitt gerade die Bronx vorbei, einer der fünf Stadtbezirke New Yorks. John ließ seinen Blick über die zweigeschossigen Häuser rechts und links des Hutchinson River Parkways schweifen und fragte sich nicht zum ersten Mal in seiner Amtszeit, warum überhaupt jemand hier draußen wohnen wollte. Noch vor weniger als zwei Jahrzehnten war diese Gegend ein Arme-Leute-Viertel gewesen, und John fand, man sah es ihr nach wie vor an.
    »Was ist jetzt mit diesem beschissenen Termin?«
    Cleavage räusperte sich und drehte den Kopf zu ihm. »City Island, Sir. Die
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