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0978 - In den Ruinen von London

0978 - In den Ruinen von London

Titel: 0978 - In den Ruinen von London
Autoren: Adrian Doyle
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sorgfältig die Hände, bevor du an den Tisch kommst!«
    Carrie nickte.
    Sie gingen ins Haus. Von fern waren Sirenen zu hören. Nicht aus einer bestimmten Richtung, sondern aus ganz unterschiedlichen Orten.
    Carries Mutter blieb noch einmal kurz in der offenen Tür stehen und zog sich den Kragen ihrer Bluse enger. Dann schloss sie die Tür und ging in die Küche, um den Kakao zu kochen. Und obwohl sie eigentlich genug von den verstörenden Meldungen hatte, stellte sie das Radio lauter.
    ***
    Ein Auto fuhr in die Einfahrt. Das Geräusch der Reifen auf dem groben Kies erinnerte an eine tief fliegende Militärmaschine.
    »Kriegen wir Besuch?«, fragte Carrie, kakaoverschmiert wie ein Clown, der schwarze mit weißer Schminke verwechselt hatte.
    »Nicht dass ich wüsste.« Ihre Mutter verließ die Küche, ging durch den kurzen Flur ins Schlafzimmer und warf offenbar einen Blick durch die Gardinen.
    Carrie hörte, wie sie mühsam einen Schrei unterdrückte, sodass nur noch ein gequälter Laut herauskam.
    Carrie rutschte vom Stuhl. »Mum?« Sie eilte ins Schlafzimmer, während es an der Haustür klopfte.
    Ihre Mum breitete die Arme aus und drückte Carrie ganz fest an sich. Dabei machte sie »Pssst!«, und fügte flüsternd hinzu: »Ich will nicht, dass er merkt, dass wir zu Hause sind.«
    »Wer?«, gab Carrie ebenso leise zurück.
    »D-dein Dad, dieser… Ich fasse es nicht, dass er es wagt!«
    Den Rest dessen, was sie noch sagen wollte, zerbiss Carries Mutter zwischen den Zähnen.
    Carrie wurde ganz aufgeregt. Sie hatte ihren Dad seit der Scheidung nicht mehr gesehen - drei Jahre war das jetzt her -, auch nicht, während der ganz schlimmen ersten Phase ihrer Krankheit. Ihre Mum redete, wenn sie überhaupt von ihm sprach, nur ganz böse Dinge über ihn. Dass er sich nicht kümmere. Dass er nicht einmal Unterhalt für Carrie zahle, was seine »verdammte Pflicht« sei. Und noch mehr Sachen, die Carrie erstens nicht verstand und zweitens nicht hören wollte.
    Eigentlich wollte sie nur ihren Dad mal wieder sehen.
    Und der stand jetzt vor der Tür?
    Sie befreite sich aus der Umarmung ihrer Mum und lief zur Tür.
    »Wo willst du hin?« Ihre Mutter stand immer noch ganz schreckensstarr neben dem Bett.
    Carrie lief einfach weiter. Der Riegel der Haustür schnappte zurück. Die Tür glitt auf.
    »Dad!«
    Ihr Dad hatte gerade die Faust gehoben, um erneut gegen die Tür zu pochen. Sein zorniges Gesicht veränderte sich augenblicklich, als er Carrie vor sich sah.
    Er ging in die Hocke und breitete die Arme aus. »Kleines! Ich hätte dich fast nicht erkannt! Du bist groß geworden, so groß! Aber was ist denn mit deinen schönen Haaren passiert?«
    Hinter Carrie erklangen Schritte, während sie zögernd auf ihren Dad zuging.
    »Nicht!«, hörte sie ihre Mum rufen. Und dann: »Verschwinde! Was fällt dir ein…«
    Carries Vater erhob sich. Carrie blieb unschlüssig vor ihm stehen. Die Erwachsenen feindeten sich über ihren Kopf hinweg weiter an. »Rose, hör auf, so vor unserer Tochter zu schreien.«
    »Ach, nur weil du dich plötzlich erinnert zu haben scheinst, dass du eine Tochter hast?«
    »Du weißt genau, dass ich das immer wusste. Und unzählige Male, auch über den Anwalt und die Gerichte, versucht habe, mein Besuchsrecht einzuklagen!«
    »Du lügst!«
    »Du lügst. Und ich durchschaue auch, warum. Wahrscheinlich hast du Carrie die ganze Zeit vorgemacht, ich wolle sie nicht sehen, ich hätte sie nicht mehr lieb!«
    Wut und Erinnerung trieben ihm Tränen in die Augen.
    Carrie duckte sich. »Mum!«, setzte sie an. »Mum, hör auf.« Und an ihren Vater gewandt: »Dad, komm rein. Komm bitte rein.«
    »Nur über meine Leiche!«, brüllte Carries Mum.
    Carries Dad nahm seine Tochter an der Hand und trat ins Haus. »Wenn du das willst, kannst du es haben!«
    Irgendetwas kitzelte die Innenfläche der Hand, um die sich die Finger ihres Vaters geschlossen hatten.
    Carries Mutter wich zurück, als Carrie mit ihrem Dad in die Küche ging.
    Carrie hörte, wie ihre Mum im Flur nach dem Telefonhörer griff und drohte: »Verlass sofort mein Haus, oder ich rufe die Polizei!«
    Carries Dad zog sich einen Stuhl heran und setzte sich an den Tisch. Er zeigte auf den Platz, wo Carrie gesessen hatte und wo noch ihre Tasse stand. In der Tischmitte dufteten verführerisch die Kekse.
    Carrie hörte, wie ihre Mum eine Nummer eintippte - dann fluchte - erneut tippte - lauter fluchte und schließlich den Hörer auf die Gabe knallte.
    Mit hochrotem Gesicht
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