0977 - Gefahr für die Blaue Stadt
Augen. Nebel war aufgekommen. Er waberte immer dichter werdend durch den im Halbdunkel liegenden, staubigen Korridor und hüllte ein, wessen er habhaft werden konnte. Oder täuschte der Eindruck, und Nicoles Augen wurden schlicht schlechter?
Sie kniff sie zusammen, blinzelte mehrfach und versuchte dann, ihre Umgebung erneut in den Fokus zu bekommen. Doch anstatt dass sich die Sicht normalisierte, wurde sie nur schlechter. Wenige Sekunden waren erst vergangen, seit Nicole diese Tür geöffnet hatte, doch innerhalb dieser kurzen Zeit schien sich die ganze Welt in ein Flirren und Flackern verwandelt zu haben. Wo immer Nicole hinblickte, war ihr, als flimmere die Luft, als sähe sie nichts Reales, sondern eine Fata Morgana.
Und der Nebel stieg höher.
»Monica…«, keuchte sie und streckte einen zitternden Arm nach der Freundin aus. »Wir müss…en raus!«
Dann brach sie zusammen und die Welt wurde schwarz.
***
Man sah Doktor Nome Berenga an, dass er von den Massai abstammte. Der hochgewachsene 40-jährige Mediziner war Fachmann für Dynastie-Medizin und leitete im Verwaltungsgebäude in El Paso eine große, firmeneigene Hightech-Praxis, in der auch Dynastie-Medizin per Technik Und Arznei angewandt wurde.
Nome Berenga war der Fachmann überhaupt für außerirdische Biologie. Weil aber auch in der Medizin außerirdische Lebewesen als nichtexistent betrachtet wurden, vollzog er seine Studien und übte seine erworbenen Kenntnisse nicht an einer Universitätsklinik aus, sondern meistens in der Spezialklinik der Tendyke Industries, die sich im neu gebauten Verwaltungshochhaus des Konzerns in El Paso, Texas, befand.
Doktor Berenga galt als Kapazität auf seinem Gebiet, und als eine solche hielt er oft Vorträge überall in den USA. Natürlich nicht über außerirdische Biologie - sonst wäre er wohl recht bald in eine Nervenklinik eingeliefert worden -, sondern über Chirurgie. Für den morgigen Abend hatte er einen Vortrag in Orlando auf dem Programm, nicht weit von Miami entfernt. Er befand sich also innerhalb des Sunshine States Florida. Robert Tendyke schlug sich im Geist auf die Schulter über so viel Glück. Von El Paso aus waren es über 2000 Kilometer bis zu Tendyke’s Home, von Orlando aus hatten Tendykes Leute den Mediziner mit einem Hubschrauber innerhalb von knapp einer Stunde herbeigeschafft.
Nome Berenga blickte voller Interesse hinab auf den Außerirdischen. Der Drois wirkte auf den ersten Blick wie tot auf einem Bett, das sich im Keller des Security-Gebäudes befand, nur ein leichtes Heben und Senken des Brustkorbs bewies auf den zweiten Blick, dass er noch lebte. Die Sicherheitsleute hatten ihn festgeschnallt, schließlich wusste niemand, wie der Leibwächter der L-Klasse bei seinem Erwachen reagieren würde. Sollte er annehmen, sich unter Feinden zu befinden, würde er erbarmungslos kämpfen.
In aller Eile hatte Tendyke allerlei medizinische Apparaturen herbeischaffen lassen, mit deren Hilfe der Fremde durchleuchtet wurde. Sogar eine Blutprobe wurde dem Halbandroiden abgenommen. Die Gelegenheit, mehr über diese Unbekannten zu erfahren, wollte Tendyke nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Neben dem Doc, Zamorra und Tendyke befanden sich noch drei Mitglieder des TI-Sicherheitsdienstes im Hintergrund des provisorischen Patientenzimmers.
»Das ist absolut faszinierend«, freute sich Berenga. »Wir haben mehr Untersuchungsergebnisse erhalten, als ich bei meinem Eintreffen zu hoffen wagte. Jetzt müssten wir nur noch die Gelegenheit erhalten, die Verstärkungen der Muskeln und Knochen bei einer Obduktion zu untersuchen. Bis jetzt haben sie ihre Geheimnisse noch nicht enthüllt.«
»Der Mann ist aber noch nicht tot, Doc«, gab Zamorra zu bedenken. »Und ich hoffe auch nicht, dass Sie ihm dazu verhelfen wollen. Wir wissen bis jetzt bloß noch nicht, wie wir ihn wieder wach bekommen sollen.«
Doc Berenga musterte Professor Zamorra über den Rand seiner Brille hinweg. Er war der vermutlich einzige Mediziner auf der Erde, der sich auch auf die Behandlung außerirdischer Wesen verstand; vor einigen Jahren hatte er sogar den Meegh Ghaagch behandelt und einen Toten aus dem Volk der Unsichtbaren untersucht.
»Ich kann Sie beruhigen, Professor, ich bin Arzt und kein Henker«, sagte er mit einem spöttischen Unterton. »Selbstverständlich gilt mein erstes Interesse dem Leben meines Patienten, sogar wenn der Drois keiner uns bekannten Krankenkasse angehören sollte.«
Zamorra verdrehte die Augen über den
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