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0976 - Flügel des Todes

0976 - Flügel des Todes

Titel: 0976 - Flügel des Todes
Autoren: Michael Breuer
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nippte Chéne an seinem Bier und drehte sich dann auf den Rücken, um hinauf in den Himmel zu blicken. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt. Langsam wurde es Abend über dem Loire-Tal.
    Chéne fühlte sich angenehm schläfrig, aber das ging schon in Ordnung. Schließlich hetzte ihn niemand bei der Erledigung seines Auftrags. Er schloss die Augen.
    ***
    Mostache grunzte.
    In den letzten Minuten hatte er auf die Benutzung eines Glases verzichtet und den Wein stattdessen wie der übelste Clochard direkt aus der Flasche getrunken.
    Nun jedoch war sie leer!
    Der Wirt verzog das Gesicht, stierte die geleerte Flasche einen Moment lang ratlos an, bevor er sie mit Urgewalt gegen die nächste Wand schleuderte, wo sie krachend in tausend Scherben zersprang.
    Lautes Lachen brandete auf. Aus der Verkostung des für das Dorffest gedachten Weins hatte sich innerhalb kürzester Zeit ein wüstes Gelage entwickelt, dessen latent-aggressive Stimmung alle Anwesenden erfasste.
    Die übrigen Zecher hatten sich ihren Vorrat besser eingeteilt und fanden seinen Ausbruch höchst erheiternd. Pascal Lafitte schwenkte provozierend seine eigene Flasche, bevor er sich einen weiteren Schluck die Kehle hinunter rinnen ließ.
    Mostaches Augen weiteten sich bei diesem Anblick. Unwillkürlich knurrte er und machte einen Schritt nach vorne. Ein Gewitter bahnte sich an, das spürte jeder der Anwesenden deutlich.
    Aus blutunterlaufenen Augen erwiderte Lafitte den Blick des Wirts. Mit einem Mal war die Luft zum Schneiden dick.
    »Das willst du?«, fauchte er. »Komm und hol’s dir!«
    Pater Ralph stieß ein keckerndes Lachen aus. Offenbar freute er sich diebisch über die bevorstehende Auseinandersetzung. Doch da war er beileibe nicht der Einzige. Malteser-Joe schlug mit der Faust auf den Tisch, als wolle er die Kontrahenten anfeuern. Jeder der Anwesenden spürte es deutlich, Mord und Totschlag lagen in der Luft und es bedurfte nur noch einer Nichtigkeit, um die Situation eskalieren zu lassen. Doch gerade als Mostache die Hände ausstreckte, um sich auf Lafitte zu stürzen, hielt er plötzlich wie vom Schlag getroffen inne.
    Mit einem Mal schien alles vor seinen Augen zu verschwimmen. »Ein Engel«, hörte er noch den völlig berauschten André Goadec brabbeln - und dann wurde auch Mostache erleuchtet.
    Der Wirt schloss die Augen. Mit einem Male befand er sich in einer anderen Welt; einer friedlichen, schöneren Welt.
    Eine grasige, grüne Ebene erstreckte sich vor seinem geistigen Auge. Verwirrt drehte Mostache den Kopf und blickte sich um. Ein Art Tempel fiel ihm ins Auge. Vage fühlte sich der Wirt an die griechische Akropolis erinnert. Es blieb ihm jedoch keine Zeit, über die Ähnlichkeit nachzusinnen, denn das Gebäude war nicht verlassen.
    Eine junge Frau trat zwischen den Säulen hervor. Sie schien ganz in sich selbst versunken zu sein und würdigte Mostache keines Blickes, als sie langsam die Stufen hinab schritt. Dem Wirt verschlug es fast den Atem, als er die Unbekannte betrachtete. Langes blondes Haar fiel in weichen Wellen über ihre Schultern. Ihre großen dunklen Augen blickten abwesend in die Welt. Sie schien über etwas nachzudenken.
    Plötzlich bemerkte sie Mostache, der mit hängendem Unterkiefer dastand. Ein scheues, mädchenhaftes Lächeln huschte über ihre Lippen.
    Und dann entfaltete sie ihre Flügel…
    Der Wirt staunte nur kurz. Natürlich besaß ein Engel Flügel! Daran, dass er es mit einem solchen zu tun hatte, zweifelte Mostache nämlich keine Sekunde. Die blütenweißen Schwingen waren gewaltig, aber nur kurz blieb sein Blick an ihnen hängen, denn schon im nächsten Moment begann das geheimnisvolle Engelsgeschöpf zu sprechen.
    »Friede«, sagte die junge Frau. Ihre Stimme klang samtig-weich und im selben Moment spürte Mostache, wie sein Zorn auf Lafitte dahin schwand. »Es gibt keinen Grund für Streiterei. Wenn ihr durstig seid, so kann euch geholfen werden. Zieht hinaus, dort werdet ihr mehr Wein finden!«
    Die Engelsgleiche streckte die Hand aus und deutete auf einen Punkt hinter Mostache.
    Als der Wirt den Kopf wandte, wurde die Vision durchscheinend. Das Bild der endlosen grünen Ebene schwand und machte dem Schankraum der Gaststätte Platz. Der ausgestreckte Finger deutete genau auf die Eingangstür.
    Mostache blickte die Geflügelte fragend an. Diese nickte ihm huldvoll zu.
    »Geht«, erklärte sie. »Das Fest erwartet euch!«
    Dann wurde auch sie durchscheinend und völlig abrupt fand sich der Wirt in der
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