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096 - Kreuzfahrt des Grauens

096 - Kreuzfahrt des Grauens

Titel: 096 - Kreuzfahrt des Grauens
Autoren: Earl Warren
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mich! Ich, Lao Han Minh, habe immer dich und die Schwarze Magie gemieden und gehaßt. Doch jetzt, in meiner Todesstunde, rufe ich dich an! Nimm meinen Leib und meine Seele und alles, was du haben willst, und erfülle den Rachefluch!“
    Bisher hatte Lao Han Minh Spanisch gesprochen, wie auch während des Verhörs. Nun rief er mit donnernder Stimme Beschwörungsformeln in einer alten, längst vergessenen Sprache. Die Piraten überlief es kalt.
    Nur Henri DeVries blieb furchtlos. Er zog den langen Degen aus der Lederscheide und stieß ihn Lao Han Minh durch die Brust, daß die Spitze im Rücken herausragte. Wieder und wieder stieß DeVries zu, auch dann noch, als schon längst kein Leben mehr in dem Magier war.
    Die Piraten standen schweigend. Das Mädchen wimmerte. Bei dem Toten breitete sich eine Blutlache aus.
    „So“, sagte DeVries. „Der hat aus geflucht. Was steht ihr da und glotzt? Fürchtet ihr euch etwa vor dem Geplärre des alten Narren? Ihr wollt Männer sein? Los, nehmt euch das Mädchen vor. Was glaubt ihr, weshalb ich sie euch ausgeliefert habe.“
    Die Piraten musterten scheu das am Boden liegende Mädchen. Der Neger Sambo, der sich als erster auf sie gestürzt hatte, war aschgrau im Gesicht vor Angst. Keiner der abergläubischen Männer wollte sich mehr an der blutjungen Chinesin vergehen. Sie kroch über das Deck, raffte die Fetzen des Sarongs an sich und versuchte, ihre Nacktheit zu bedecken.
    Die Männer wichen vor ihr zurück, als hätte sie den Aussatz.
    „Ich weiß nicht, Herr“, sagte ein schlitzäugiger, untersetzter Chinese. „Vielleicht sollten wir sie laufenlassen. Bei Licht betrachtet ist sie doch ein recht mageres Hühnchen, und überhaupt …“
    Die Schläfenader von DeVries schwoll vor Zorn. Er lief rot an im Gesicht und schrie: „Sie soll sterben, habe ich gesagt. Wenn ihr nicht wollt, nun gut!“
    Er riß eine der silberbeschlagenen Pistolen aus dem Gürtel und feuerte. Die Chinesin stürzte auf die Planken.
    „Werft sie über Bord!“
    Die Piraten wußten, daß es nicht gut war, DeVries noch mehr zu reizen. Zwei Männer packten die Tote an Armen und Beinen und warfen sie dann über die Reling. Der Körper klatschte aufs Wasser auf, dann ging das tote Mädchen sofort unter.
    Betreten sahen die Piraten auf die Stelle, wo sie versunken war. Einige bekreuzigten sich, um Unheil abzuwenden.
    „Den Alten hinterher!“ schrie der Korsar.
    Als der Steuermann und der muskelstrotzende Matrose Lao Han Minh los schneiden wollten, hörte man ein lautes Krächzen. Über der Galeone flog im Blau des Himmels ein schwarzer Albatros.
    Es war ein riesiger Vogel mit einer Flügelspannweite von fünfeinhalb Metern. Ein angstvoller Schrei der Piraten an Bord der Galeone wurde laut.
    Der Albatros hatte einen Totenkopf! In den leeren Augenhöhlen glühte es. Der Vogel umflog den Hauptmast. Der Mann im Mastkorb brüllte entsetzt, als der schwarze Flügel ihn streifte, kippte aus dem Mastkorb und fiel dreißig Fuß tief aufs Deck.
    Sein Körper war zerschmettert.
    „Bei der Jungfrau und allen Heiligen!“ schrie ein Portugiese an Bord. „Das ist Schinsang, der oberste aller Teufel!“
    „Der Magier hat ihn gerufen! Sein Flucht erfüllt sich an uns!“
    Einige Piraten knieten nieder und fingen an, zu beten. Andere warfen sich auf die geteerten Planken und heulten und wehklagten. Wieder andere fluchten und schimpften. Manche rannten kopflos umher, manche standen wie gebannt an der Stelle und folgten schweigend dem Flug des Albatros mit den Augen.
    Der riesige schwarze Vogel mit dem Totenkopf schrie nicht mehr. Lautlos umkreiste er, von seinen mächtigen Schwingen getragen, den Hauptmast. Einmal. Zweimal. Dreimal. Viermal.
    Die Ahnung von etwas Schrecklichem erfüllte die Piraten. Henri DeVries fluchte fürchterlich. Er feuerte seine Pistolen auf den Albatros ab, ohne ihm zu schaden. Er fuchtelte mit dem Degen.
    Zum siebten mal umkreiste der schwarze Albatros den Hauptmast. Der Totenkopf war grausig anzusehen. Aus den Augenhöhlen funkelten Blitze.
    Ein ohrenbetäubender Donnerschlag krachte. Das Meer selbst kochte in der Bucht auf. Ein riesiger schwarzer Trichter bildete sich um das Schiff, und die Galeone wurde unters Wasser gerissen wie eine Nußschale.
    Mit Mann und Maus versank die Galeone in dem dunklen Schlund. Der Albatros kreiste über der Untergangsstelle, als die Wogen zusammenschlugen. Ein eigenartiges Glühen erfüllte das Wasser.
     

     

Die Marcos III hatte Mindoro passiert und nahm
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