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0959 - Der Fallbeil-Mann

0959 - Der Fallbeil-Mann

Titel: 0959 - Der Fallbeil-Mann
Autoren: Jason Dark
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Wahnsinn grenzte.
    Mit sicheren Schritten verließ er diesen Ort und baute sich breitbeinig vor seinem Fallbeil auf. Er hatte diese Pose bewußt gewählt, allein sie würde den Frauen vor ihm schon die nötige Angst einjagen.
    Sie starrten ihn an. Sie fürchteten sich. Er konnte sehen, wie sie zitterten. Sie alle hingen am Leben, aber damals hatten ihre Vorgängerinnen eine verfluchte Schuld auf sich geladen, die jetzt gerächt werden mußte. Wind kam auf. Er fuhr nicht nur als eisiger Hauch über die Mauer hinweg, er spielte auch mit den Wolken und trieb die hellen Gebirge am Himmel durcheinander.
    Wieder stemmte der Henker seine Arme in die Hüften. Er wollte seinen Auftritt noch genießen und die Angst der Schwestern größer werden lassen.
    Unter seiner Kapuze klang die Stimme dumpf und kratzig, als er die ersten Worte sprach. »Ich habe eine alte Schuld beglichen, aber es ist zuwenig. Ihr alle werdet in dieser Nacht euer Leben verlieren, und ich werde den Klostergarten mit euren Köpfen schmücken. Ich werde mich daran erfreuen, wie sich der Teufel auch daran erfreut, wenn er die Seelen der frommen Frauen bekommt.«
    Sie konnten nichts sagen. Sie schauten nur starr auf den Henker. Ihre Gesichter zuckten trotzdem, denn irgendwie mußte sich die Furcht freie Bahn verschaffen.
    Der Henker hörte ein leises Weinen, was ihn noch mehr erfreute. Wenn die anderen starben, konnte er sich daran ergötzen. Angst und Grauen waren seine Begleiter. Er liebte sie über alles, und in seinen Augen stand weiterhin das gefährliche Leuchten, dessen Ursprung nur in der Hölle liegen konnte.
    »Ich will euch haben, aber ich lasse euch auch die Wahl. Wer kommt als erste unter das Fallbeil?«
    Seine Stimme klang aus. Jede Nonne hatte ihn verstanden, aber es gab nicht eine, die auf seinen Vorschlag einging. Die Frauen zitterten vor Furcht. Sie klammerten sich weinend aneinander, während das verdammte rote Licht sie tatsächlich wie in einen blutigen Schleier tauchte.
    Blut würde fließen, das stand fest.
    Viel Blut…
    »Niemand?« rief der Henker.
    Schweigen war die Antwort.
    Der Fallbeil-Mann brauchte keinen Atem zu holen, auch wenn er den Anschein erweckte.
    »Niemand?« fragte er erneut.
    Es meldete sich keine.
    »Gut, dann werde ich mir die erste holen«, erklärte er und setzte sich in Bewegung…
    ***
    Ich hatte das Kloster endlich erreicht und war durch die Nacht gerast wie eine abgefeuerte Rakete. Schließlich kam es auf jede Sekunde an.
    Im Fond lag die Oberin. Ihre Ohnmacht hatte nicht lange gedauert. Kaum war sie aus ihr erwacht, hatte sie sich mit einer schwachen Stimme gemeldet und auch Fragen gestellt.
    Von mir hatte sie die Antworten bekommen. So wußte sie, daß wir uns auf dem Weg zum Kloster befanden, und ich stoppte diesmal vor dem Haupteingang.
    Als das Licht der Scheinwerfer verloschen war, fiel die Dunkelheit über uns zusammen. Ich stieg aus. Der Wind hatte zugenommen. Sehr kalt blies er mir ins Gesicht.
    Im Fond des Wagens richtete sich die Oberin auf, so daß ich ihr nicht erst die Tür zu öffnen brauchte. Das tat sie selbst. Ich half ihr trotzdem aus dem Wagen und sah, wie bleich sie geworden war. Sie schaute sich um, als stünde sie in einer fremden Umgebung. Dann strich sie über ihre Augen, während die Lippen zuckten und die Frau sich fröstelnd duckte.
    »Es ist so anders!« flüsterte die Oberin und klammerte sich an mich fest.
    »Ich spüre das Böse.«
    »Okay, lassen Sie uns gehen.«
    »Ja, wir müssen etwas tun.«
    Bisher hatte ich das Kloster nicht durch den normalen Eingang betreten, das aber änderte sich jetzt, denn wir beiden gingen auf eine große Tür zu, die, bevor wir sie erreichten, von innen geöffnet wurde. Es erschien eine kleine Frauengestalt mit einem blassen Gesicht.
    »Das ist Ruth.«
    Ich hatte es mir schon gedacht und lächelte dem zitternden Bündel Mensch zu. »Ist noch etwas passiert?«
    Ruth ließ uns eintreten. Wir standen fast im Dunkeln. Nur eine Kerzenflamme leuchtete wie ein ewiges Licht. »Sie sind alle draußen« flüsterte die junge Nonne, während ihr die Oberin tröstend über den Kopf strich.
    »Alle sind sie draußen im Hof.«
    »Warum du nicht?«
    »Ich, ich - mir ging es nicht gut, Oberin. Ich war auf der Toilette.«
    »Da hast du Glück gehabt.«
    Ich wollte die theorethische Diskussion unterbrechen und fragte: »Wie komme ich zum Garten?«
    »Ich werde Sie führen.«
    Das war auch nötig, denn Licht machten wir nicht. Ich wurde ihm wahrsten Sinne des Wortes
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