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0947 - Geballte Wut

0947 - Geballte Wut

Titel: 0947 - Geballte Wut
Autoren: Simon Borner
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anblickte. Der Chefinspektor seufzte. Er verdankte dem Professor viel, doch selbst die dickste Freundschaft durfte ihn nicht daran hindern, seinen Job zu erledigen. Und eines stand außer Frage: Kathryne Crentz mochte unschuldig aussehen, aber sie war eine Mörderin. Er hatte es selbst miterlebt.
    Kapitel 1 - Todesfuge
    Einige Tage zuvor
    Himmel, war das kalt geworden. Chefinspektor Pierre Robin schlug den Kragen seines packpapierbraunen Mantels höher, senkte den Kopf und trat aus dem imposanten Gebäude in der Rue de Lutèce. Die Île de la Cité, die kleine Insel mitten im Pariser Stadtgebiet und in der Seine, zeigte sich an diesem Abend von ihrer ungemütlichen Seite. Scharfe Winde zogen durch die breiten Gassen, vorbei an den Türmen von Notre Dame, den Patientenflügeln des Hôpital Hôtel-Dieu und dem Giebeldach der Sainte-Chapelle. Abermals fragte Robin sich, warum er überhaupt gekommen war und seine Zeit in der Hauptstadt verschwendete, anstatt im heimischen Lyoner Büro den offenen Fällen nachzurecherchieren.
    Weil ich musste , gab er sich in Gedanken Antwort. Weil dieses Land so verflucht versessen auf seine Zentralisierung ist. Deswegen.
    Freiwillig hatte er sich diese Fortbildungsmaßnahme nicht ausgesucht, so viel stand fest. Tagelang in der Prefecture de Police, dem Pariser Polizeihauptquartier, stupiden Vorträgen zu lauschen, entsprach nicht gerade Robins Vorstellungen von effizienter Polizeiarbeit. Doch was die Mächtigen entschieden, hatte der kleine Mann auszubaden - auch, wenn er Chefinspektor war.
    Flic-Tours. Wir buchen, Sie fluchen.
    Am Boulevard du Palais, wo schon die ersten Nachtschwärmer an den Außentischen der Bistros saßen und überteuerte Speisen in sich hineinstopften, bog Pierre rechts ab. Wenige Meter noch, und er hatte die Metro-Station erreicht - und mit ihr den sicheren Weg zurück ins Hotel.
    Natürlich hätte er sich ein Taxi nehmen können, doch Pierre weigerte sich standhaft. Wenn er schon in Paris war, wollte er wenigstens auf dem Weg zur und von der Arbeit etwas von der legendären Atmosphäre dieser Stadt mitbekommen. Die Metro genügte ihm voll und ganz.
    Sowie er an der Treppe war, hörte er die Kampfgeräusche.
    Die Metro-Station Cité, die einzige ihrer Art auf der kleinen Insel, lag unterirdisch und am nordöstlichen Ende des breiten Boulevards, der die Insel mit dem Festland verband. Der touristenfreundlichen Uhrzeit zum Trotz schien wenig bis gar kein Betrieb in ihr zu herrschen. Robin stand auf den stählernen Stufen, die seit gut einem Jahrhundert ins Erdinnere führten, lauschte und dankte im Geiste jedem Gott dieser Erde dafür, dass ihm keine unnötigen Zivilisten im Weg waren. Bei dem, was er nun zu tun hatte, konnte er sie nicht gebrauchen.
    Langsam zog er seine Waffe aus dem Halfter.
    Mit einem leisen Klick entsicherte er die HK P-2000 und ging vorsichtig weiter. Je tiefer er in die Station vordrang, desto deutlicher wurden die Laute. Irgendjemand… zeterte ! Anders ließ es sich nicht beschreiben. Wilde, nahezu animalische Schreie und Grunzlaute, das Klatschen von Haut auf Haut, keuchendes Luftausstoßen… Das war eine Schlägerei. Mindestens.
    Langsam bog Robin um die Ecke, darauf gefasst, ein paar jugendliche Rabauken aufzuscheuchen, doch was er sah, überraschte ihn zutiefst. Wenige Meter vor ihm auf dem ansonsten menschenleeren Bahnsteig der Metro-Linie 4 befanden sich zwei Personen. Ein vielleicht achtzigjähriger Mann - gebrechlich, schütteres weißes Haar und eingefallene Wangen - hing halb auf dem Boden und versuchte mit zitternden, blutenden Händen die Schläge einer jungen Frau abzuwehren, die ihm allem Anschein nach schon eine ganze Weile zusetzte.
    Und die Frau war völlig außer sich. Schweiß, Rotz und Tränen der Entrüstung flogen ihr bei jeder ihrer ruckartigen Bewegungen vom Gesicht. Das Haar klebte ihr in dicken Strähnen auf der Stirn und ihre Augen waren so verdreht, dass fast nur noch das Weiße in ihnen zu sehen war. Die Lippen waren geschürzt, der Mund leicht geöffnet. Und ihre Power suchte ihresgleichen.
    Wieder und wieder ließ sie ihre geballten Fäuste auf den gebrechlichen Alten niederfahren, trat ihm mit den Spitzen ihrer dunklen Stiefel in Lenden- und Bauchbereich und warf ihm Blicke zu, die so voller Hass waren, dass es selbst dem erfahrenen Chefinspektor ganz anders wurde.
    Was zum Teufel…
    »Hey!« Pierre zögerte nur einen Sekundenbruchteil, dann rannte er los. »Sofort aufhören und die Hände hoch, klar?
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