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0936 - Schattentheater

0936 - Schattentheater

Titel: 0936 - Schattentheater
Autoren: Susanne Picard
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aus der es bestand. Weiße, feine Blitze verästelten sich wieder und wieder, mit jedem Ruf: »Ja, Miyako, gib mir etwas mehr Lachen! - Cut, und jetzt die blaue Robe, Jacqueline. Ich will sie an Naomi sehen. Ja, so ist es gut!« CHAVACH tauchte hinab in die blitzartig hin und her strömende Kraft. Die Bewegungen des Geschöpfs wurden immer fahriger, hektischer, je mehr CHAVACH Besitz davon ergriff. CHAVACH versuchte, es zu beruhigen. Mach weiter, Geschöpf. Geh deiner Aufgabe nach. Nur so kannst du mir dienen, mir bei meiner großen Sache helfen, mich stärken. CHAVACH verankerte sich fester in Ken Miller, dem Fotografen, der für einen Moment aufstöhnte und die Hochleistungskamera sinken ließ. Jetzt spürte er, dass etwas von ihm Besitz ergriffen hatte.
    Die Synthese. CHAVACH fühlte eine tiefe Befriedigung und verstärkte seinen Griff noch ein wenig. Er stellte sich vor, wie er sich um den Nacken des Geschöpfs schlang, Zähne in den Hals schlug und begann, zu trinken.
    Nahrung…
    ***
    Irgendwo über Sibirien, in 10.000 Meter Höhe
    Nicole Duval starrte aus dem winzigen und eiskalten Fenster. Sie hatte sich selbst in eine Decke gekuschelt und war froh, dass der Sitz neben ihr auf dem Air France-Flug nach Tokio frei geblieben war. Immerhin bezahlte die deBlaussec-Stiftung bei Dienstreisen nicht die Erste Klasse - und da konnte man über etwas mehr Platz nur dankbar sein.
    Nicole war es nicht gewohnt, in der Economy Class zu sitzen. Meist flog sie überhaupt nicht, zu vielen Orten auf der Welt kam sie sehr gut mit den Regenbogenblumen, die unter einer künstlichen Sonne in den Gewölben unter Château Montagne wuchsen - und wenn sie flog, dann eher im Privatjet ihres besten Freundes Robert Tendyke.
    Aber als Angestellte der deBlaussec-Stiftung war ihr nichts anderes übrig geblieben, als eine Linienmaschine zu nehmen. Und so sehr sie sich am Anfang auch auf diese ihr neue Art des Reisens gefreut hatte, so sehr bereute sie es nun seit einigen Stunden. Mittlerweile war die Maschine auf die dunkle Erdseite geflogen und im Flugzeug herrschte Nacht. Nicole hatte versucht, etwas in dem Reiseführer über ihr Reiseziel Japan zu lesen, aber sie hatte das Buch schon bald wieder weggelegt und das Licht gelöscht.
    Jetzt sah sie aus dem Fenster in die Finsternis hinaus und auf die Landmasse unter ihr, die in der Dunkelheit kaum zu sehen war.
    Wie ein Spinnennetz zogen sich Lichtpunkte und Fäden über den Meilen entfernten Boden und Nicole wunderte sich, dass sie überhaupt welche entdeckte - immerhin zeigte die Karte an der Anzeigetafel an, dass sich Flug 369 der Air France nach Tokio gerade über Nordsibirien befand. Eigentlich hätte man nichts anderes als endlose, dunkle Taiga-Wälder sehen dürfen.
    Für einen Moment schoss Nicole der Gedanke durch den Kopf, wie Zamorra wohl auf diesen Anblick reagiert hätte. Sie überlegte eine Weile, doch ihr fiel nicht ein, wann sie beide das letzte Mal miteinander zu dieser Tages- oder besser Nachtzeit geflogen waren - und noch endlose Stunden bis zur Landung vor sich hatten.
    Klingt beinahe so, als würde ich mich einsam fühlen , dachte Nicole. Je länger ich vom Château weg bin, desto mehr scheinen mir Zamorra und die anderen zu fehlen. Wie kam es noch mal, dass du hier allein in einem Flugzeug nach Japan deinen Gedanken nachhängst? Ach ja. Du wolltest von Louis Landru dorthin geschickt werden. Warum, das weißt du ja selber nicht mal, wenn du ehrlich bist.
    Immerhin war der Shinigami - und vielleicht sogar CHAVACH, den Nicole jagen wollte -, noch in Paris. Oder nicht? Nicole hatte sich diese Frage selbst schon hundertmal gestellt und war noch zu keinem anderen Ergebnis gekommen, als dass ein unbestimmtes Bauchgefühl sie darauf gebracht hatte, dass Japan einfach der Ort war, an dem sie mehr herausfinden würde. Mehr sowohl über CHAVACH als auch über diesen geheimnisvollen japanischen Totengeist, der von sich gesagt hatte, dass er nur ein Gast in Paris und auf der Suche nach ihr, Nicole, sei, damit sie ihm helfe, CHAVACH zu jagen.
    Was der Shinigami wohl in Paris zu suchen gehabt hatte… Hatte er sie nur holen wollen? Nicole war sich sicher, dass das, was auch immer er in Frankreich getan hatte, nur ein Zwischenspiel gewesen war. Sie hatte bis jetzt nicht darüber nachgedacht - immerhin hatte der Shinigami gesagt, dass er nur in der Stadt sei, um sie zu finden.
    Ich bin irgendwie sofort und ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass wir in Japan weiter nach CHAVACH
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