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0920 - Mandragoros Alptraum

0920 - Mandragoros Alptraum

Titel: 0920 - Mandragoros Alptraum
Autoren: Jason Dark
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führen würde.
    Nur das Ziel stand fest. Wir würden versuchen, Oliveiro zu finden, den veränderten Priester, der als Mensch gescheitert war und es nun auf eine andere Art und Weise versuchte.
    Zuerst schauten wir in den Lift.
    Dort lag noch immer der Mann mit der Flasche. Er hatte von allem nichts mitbekommen. Sein leises Schnarchen wehte uns entgegen. In seiner Umgebung hatten sich die Pflanzen verteilt und lagen dort wie ein unebener, öliger Teppich.
    Sie würden ihm nichts tun, auch wenn sich einige bereits um seine Füße geringelt hatten.
    »Zur Treppe«, sagte ich.
    Um sie zu erreichen, mußten wir durch den Gang gehen. Eigentlich keine große Sache, aber hier war nichts normal. Deshalb kam es uns beiden vor wie das berühmte Spießrutenlaufen, und wir schauten uns immer wieder um, vor allen Dingen zurück, denn es war durchaus möglich, daß sich hinter uns etwas tat.
    Das war nicht der Fall. Nur herrschte hier unten eine nahezu gespenstische Stille.
    Wir gingen an den Türen der Wohnungen vorbei. Mochten sie auch noch so verkratzt oder auch demoliert sein, keine von ihnen stand offen. Jede Tür war geschlossen, und sie kam uns auch nicht vor, als sollte sie im nächsten Moment aufgestoßen werden.
    Aber es gab die Pflanzen.
    Mir fiel kein anderer Vergleich ein, deshalb blieb ich bei dem der Girlanden, und auch hier waren sie genau zu sehen. An zahlreichen Stellen hatten die Pflanzen die Decke durchstoßen, ohne jedoch wie schlaffe Arme nach unten zu hängen.
    Sie waren dann parallel zur Decke gewachsen und breiteten sich noch weiter aus.
    Immer wieder sahen wir die Knospen aufplatzen. Aus ihnen quollen entweder kleine Blätter oder Blüten. Lautlos lief es nicht ab, denn immer wieder hörten wir die leisen Geräusche, wenn es »jemand« geschafft hatte, das Mauerwerk zu durchbrechen. Dann nahmen wir das beinahe sanfte Knirschen wahr, und da fächerte der Mörtelstaub als feines Pulver zu Boden.
    Eine sehr fremde Umgebung war es für uns, in der wir uns fortbewegten. Von Oliveiro hatten wir nichts gesehen, aber im Moment drehten sich unsere Gedanken nicht darum. Wir suchten immer wieder die Wände ab, auf denen die Schmierereien in verschiedenen Farben zu sehen waren. Von einem hellen Gelb bis hin zu einem tiefen Schwarz, und die wenigsten der dort zu lesenden Sprüche waren jugendfrei.
    Es juckte uns in den Fingern, die eine oder andere Tür zu öffnen.
    Bisher hatten wir davon Abstand genommen. Erst als wir die letzte Tür des Ganges sahen, hielt mich Bill am Arm fest. Mit dem Waffenlauf deutete er auf die Tür. »Sollen wir nicht doch mal nachschauen?«
    »Ich möchte niemanden erschrecken.«
    »Du brauchst ja dein Gesicht nicht zu zeigen.«
    »Sehr witzig. Aber meinetwegen.«
    Bill hatte den Vorschlag gemacht, und so ging er auch auf die Tür zu, um sie zu öffnen.
    Sie war nicht abgeschlossen, jammerte aber erbärmlich, als wir sie aufzogen. Spätestens jetzt hätte man auf uns aufmerksam werden müssen, das war nicht der Fall.
    Niemand sprach uns an. Es brannte auch kein Licht in der Wohnung. Ein uns bekannter Geruch strömte durch unsere Nasen. Ich hatte die Lampe eingeschaltet und leuchtete in die Dunkelheit hinein.
    Vier Kinder, eine Frau und ein Mann hockten auf einem breiten Bett. Sie sahen aus wie Statuen. Sie nahmen uns und das Licht nicht wahr; ihre Blicke waren auf das gerichtet, was vor ihnen in die Höhe wuchs. Mit einer kaum erfaßbaren Kraft war es den Pflanzen gelungen, den Boden aufzubrechen. Sie hatten ihn zerstört, verwüstet, und sie waren wie ein Faustschlag nach oben gejagt.
    Nicht nur Pflanzen mit Stielen oder Blüten. Diese hier hatten sich zu einem dichten Busch zusammengefunden, an dem lange, fettige und palmenartige Blätter wuchsen.
    Sie strömten einen ungewöhnlichen Geruch aus. Süßlich, schwer – und betäubend.
    Bill ging einen Schritt zurück. Er taumelte leicht. Ich griff zu und zerrte ihn aus dem Zimmer. Hastig schloß ich die Tür. Auch ich hatte von diesem Geruch einiges eingeatmet, doch nicht so viel wie mein Freund, der sich erst fangen mußte.
    Wir wußten jetzt, wie es Oliveiro und letztendlich Mandragoro geschafft hatten, die Menschen hier im Haus unter seine Kontrolle zu bekommen. Er hatte sie glücklicherweise nicht zu töten brauchen.
    Diese Pflanzen sonderten einen Geruch ab, der Menschen betäubte.
    Ich ging davon aus, daß sie irgendwann einmal erwachten, aber vorerst blieben sie ruhig.
    Bill wischte über seine Stirn und schüttelte den Kopf.
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