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0915 - Die Rückkehr des Schrecklichen

0915 - Die Rückkehr des Schrecklichen

Titel: 0915 - Die Rückkehr des Schrecklichen
Autoren: Christian Schwarz
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warme Luft vertrieb. Die Engländerin, die seit fünf Jahren in Schottland lebte, zog den Kragen ihrer Windjacke vor dem Hals zusammen, denn sie fröstelte leicht. Diese Empfindlichkeit hatte sie trotz ihrer häufigen Aufenthalte in der Natur nie ablegen können. Dann machte sie sich, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, auf den Weg ins Hinterland. Ihr Ziel war das Glen Trossach, ein weites, unübersichtliches Tal, das zum Balmoral Estate und damit zum Besitz der Queen zählte. Glen Trossach war nur schwer zugänglich und deswegen auch vielen Einheimischen kein Begriff. Die, die das wildreiche Tal kannten, nannten es schon mal das schönste Hochtal auf der ganzen Welt.
    Typisch schottische Übertreibung eben… Myrtle Ledford lächelte kurz. Schottland war schön, aber eben nur Schottland. Mit der wunderbaren Landschaft in Englands Süden, von wo sie stammte, in keiner Weise zu vergleichen. Auch die Menschen dort waren um vieles freundlicher als die oft mürrischen, Engländern gegenüber ohnehin traditionell verschlossenen Schotten. Irgendwann demnächst würde sie ihren Irrtum Schottland beenden und nach Kent zurück kehren.
    Ihre Gedanken schweiften kurz in die Vergangenheit zurück. In London hatte sie Peter Stewart kennen gelernt. Drei Jahre war das jetzt her. Damals hatte sich Peter, die Liebe ihres Lebens, als Leiter des Landmark Visitor Centre in Carrbridge beworben. Sie hatten einen neuen gesucht und Peter war genommen worden. Ohne zu zögern hatte Myrtle ihr Ökologiestudium abgebrochen und war ihrem Schatz nach Schottland gefolgt.
    Damals habe ich doch gar nichts über die Schotten gewusst. Außer, dass sie schlechten Fußball spielen…
    Obwohl Carrbridge südöstlich von Inverness lag und damit ein gutes Stück von Braemar entfernt, waren sich doch in Peters Elternhaus am Ortsrand von Braemar gezogen. Ein Jahr lang hatte Myrtle ihrem Zukünftigen geholfen, den Lebenskampf der Highlandbewohner durch die Jahrhunderte im Landmark Visitor Centre spannend erlebbar zu machen und die wichtigsten Ereignisse der Hochlandgeschichte darzustellen. Dabei hatte sie viel Fantasie bewiesen und immer wieder tolle Ideen gehabt. Ihr Engagement hatte ihr jedoch viele Feinde eingebracht und bald schon offene Ablehnung. Denn die meisten Mitarbeiter des Centers waren glühende Patrioten und der Ansicht, dass nur Schotten die Geschichte der schottischen Highlander mit dem rechten Augenmaß darstellen könnten, nicht aber eine vorlaute Engländerin. Dabei hatte Peter den schwerwiegenden Fehler begangen, Myrtles Ideen nicht als seine auszugeben, sondern eben als ihre - weil er so stolz auf sie gewesen war.
    Nun, Peter war tot, bei einem Autounfall durch die Frontscheibe geflogen, weil er nicht angeschnallt gewesen war. Myrtle hatte Trost bei einigen Landsleuten gefunden, die Baimoral Estate verwalteten. Vor allem Sir Christian Fleming, der Hauptverwalter, hatte sich rührend um sie gekümmert. Allerdings nicht so selbstlos wie ihre einzige schottische Freundin. Denn nun, da er Myrtle genügend in seiner Schuld glaubte, machte er ihr plötzlich Avancen. Man konnte sogar sagen, dass er sie heftig bedrängte. Das wollte sie nicht. Der Verwalter war nicht ihr Typ. Schon deswegen musste sie demnächst wieder weg von hier.
    Immerhin, Fleming hatte ihr nicht nur einen gut bezahlten Job in der Forstverwaltung von Balmoral Castle zugeschanzt, er hatte ihr auch die Jagdlizenz für Glen Trossach gegeben, und damit mindestens einen einflussreichen Schotten tödlich beleidigt. Schon deswegen hatte sie die Lizenz mit Freuden angenommen.
    Die Engländerin kannte sich hier sehr gut aus. Sie stieg über steile, mit dornigem Heidegras bewachsene Hügel und ging an senkrecht abfallenden Felswänden entlang. Manchmal musste sie sogar klettern.
    Der Wind frischte noch mehr auf, wurde geradezu unangenehm eisig. Dunkle Wolken zogen am Himmel auf. »Aha, das angekündigte Gewitter«, murmelte die Jägerin. »Das ist sehr gut.« Denn im Gewitter würde sie nahezu unsichtbar für den Zwölfender sein. Sie hatte sich das Wetter ganz gezielt ausgesucht.
    Es dunkelte bereits, als sich das Tal von Trossach vor ihr ausbreitete. Zumindest ein Teil davon. Felsige, waldbedeckte Hügel erstreckten sich über mehrere Kilometer. Donner grollte, erste Blitze zuckten über den Himmel und tauchten das finster werdende Tal in unwirkliches Licht. Erste Regentropfen fielen.
    Myrtles Herz klopfte nun stark. Sie glaubte zu wissen, wo sie den König stellen konnte, das
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