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0914 - Stygias Angriff

0914 - Stygias Angriff

Titel: 0914 - Stygias Angriff
Autoren: Susanne Picard
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hin.
    »Man hole mir die teuflischen Archivare!«, rief sie.
    ***
    Am liebsten hätte Butler William den dicken Folianten in die nächste Ecke geworfen, doch seine sonst so selbstverständliche Disziplin half ihm, genau das dem kostbaren Buch nicht anzutun.
    Der Schotte wusste nicht mehr weiter. Er hatte in der letzten Nacht so gut wie jedes Buch in der umfangreichen Bibliothek des Professors durchgesehen - uralte Verzeichnisse von Zaubertränken, Lexika über Fabelwesen, sogar die mittelalterliche Übersetzung eines Buchs hatte er gefunden, das im fünften Jahrhundert in Indien verfasst worden war und angeblich »Von den Drachen und Tatzelwürmern« handelte.
    Genau dieses las er jetzt schon seit einigen Stunden, doch bisher ohne Erfolg. Außer ein wenig tumben Aussagen, wie man sie im Mittelalter eben gemacht hatte - der Wurm sei wie alle Drachen vom Teufel geschickt und in jedem Fall dämonisch, das hätte der heilige Georg doch allwirksam bewiesen - hatte sich auch in diesem vielversprechendsten Folianten der Bibliothek nichts weiter gefunden.
    William klappte die Seiten zu. Es hatte offenbar wirklich keinen Sinn. Es war bereits vier Uhr morgens, und er musste früh wieder aufstehen und zusammen mit Madame Claire für ein Frühstück sorgen. Er stellte das Buch wieder dorthin, wo er es aus dem Regal genommen hatte und machte sich auf in sein Zimmer, um sich für den neuen Tag umzuziehen. Während er sich ein frisches Hemd überstreifte und dann in die Küche ging, um die Dinge zu tun, die Madame Claire beim Frühstück für unter ihrer Würde hielt, dachte er über das zuletzt gelesene Buch nach.
    Er ärgerte sich - auch wenn er wusste, dass es unvernünftig war. Drachen, die das Aussehen hatten, das Fooly höchstwahrscheinlich annehmen würde, wenn er erwachsen wäre, waren in der Regel böse Wesen. So hieß es zumindest. Selbst im asiatischen Kulturkreis, wo sie häufig mit Glück und Fruchtbarkeit assoziiert wurden, tat man gut daran, sich tunlichst mit ihnen gut zu stellen. Jahrhundertelang waren sie vernichtet, zerstört und bekämpft worden - und sie hatten sich bei der Menschheit revanchiert. Die Geschichten strotzten nur so von der Falschheit der Drachen, der Zerstörung, die sie angeblich brachten, der Goldgier und der Tatsache, dass sie Menschen entführten - und sogar fraßen.
    William sah sich vorsichtig um. Als er niemanden sah - es war ja immerhin erst fünf Uhr morgens -, schlug er mit der Faust gegen die Wand und stöhnte auf. Er wusste kaum, wohin mit seiner Wut.
    Von denen, die dieses Buch geschrieben haben, hat wahrscheinlich niemand - niemand!! - jemals auch nur eine einzige Schuppe eines Drachen zu Gesicht bekommen. Für die waren Drachen einfach immer nur schwarzmagische und höllische Wesen , dachte William und schöpfte das Kaffeepulver so heftig in die Maschine, dass die Hälfte danebenging. Er bemerkte es gar nicht, so zornig war er.
    Doch dann hielt er auf einmal inne.
    Augenblick mal.
    Schwarzmagisch. Höllisch. Wesen, geschickt aus den Schwefelklüften.
    Für einen langen Moment schwebte der Kaffeelöffel reglos über dem halb vollen Filter.
    Vielleicht war das die Lösung…
    ***
    Zamorra lag noch in tiefem Schlaf, als es an seiner Schlafzimmertür klopfte.
    Er versuchte, es zu ignorieren. Jeder hier im Schloss kannte seine und Nicoles Angewohnheit, lange auszuschlafen, wenn es sich einrichten ließ. Doch das Klopfen, zuerst noch zaghaft, wurde stärker.
    Zamorra knurrte und versuchte, sich die Decke über den Kopf zu ziehen. Er konnte selten genug lange im Bett bleiben, das wusste doch jeder hier - warum also diese Störung? Er tastete nach dem Wecker und sah auf das Zifferblatt. Acht Uhr morgens. Eine der unchristlichsten Zeiten überhaupt.
    Für eine Sekunde beschloss er, das Klopfen zu ignorieren, doch dann besann er sich eines Besseren. Wer wusste, ob es nicht wichtig war. Er befreite sich aus seinem Bettzeug und stolperte, wie Gott ihn geschaffen hatte, zur Tür. Mit den Worten »Wer stört?«, riss er sie auf.
    William stand mit einem Kaffeetablett davor und zuckte bei seinem Anblick nicht mit der Wimper. »Monsieur, ich hoffe, Sie verzeihen mir meine Aufdringlichkeit.«
    Der Professor warf ihm einen ungnädigen Blick zu, schnappte sich einen Becher und die Kaffeekanne und goss sich eine gehörige Portion ein. »Ich denke in Ihrem Interesse, dass es wichtig ist.«
    »In der Tat«, meinte William halblaut. Er hatte gesehen, dass Nicole noch schlief. Oder zumindest so tat.
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