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0906 - Das Vermächtnis der Hexe

0906 - Das Vermächtnis der Hexe

Titel: 0906 - Das Vermächtnis der Hexe
Autoren: Oliver Fröhlich
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und das Teermonster gehorchte wieder.
    Die grinsende Porzellanmagd blieb stehen. Hatte sie bemerkt, dass etwas nicht so lief, wie von ihr geplant?
    Sie drehte sich um. Blitzartig wuchs aus der Teerpfütze die Gestalt hoch, die das Wesen schon vorhin angenommen hatte: die eines unter einem schwarzen Bettlaken steckenden Gespenstes.
    Die Hexe gab ein erschrockenes Kieksen von sich.
    Das Teermonster wuchs weiter und überragte nur einen Augenblick später die Porzellanpuppe. In einer Abwehrgeste riss sie die Arme hoch, doch es war zu spät. Das Buchstabenwesen schwappte über die Hexe hinweg und hüllte sie vollständig ein.
    »Ja, mach sie fertig!« Rhett umklammerte die Gitterstäbe. In seinen Augen funkelte der Triumph! Hatte die Llewellyn-Magie ihn also doch noch gerettet, auch wenn er nicht wusste, wie er dieses Wesen eigentlich erschaffen hatte. Er machte eine Siegerfaust.
    »Ja!«, schrie er noch einmal. »Jaaa!«
    Das Teermonster begann wieder zu schrumpfen. Es zog sich zusammen wie ein Netz, presste von allen Seiten gegen die Porzellanpuppe und würde sie schließlich zerbrechen.
    Und dann hätte Rhett seine Ruhe vor diesem dämlichem Miststück. Dann brauchte er nur noch den Käfig und diese Spielzeugwelt verlassen und…
    Ach, du Scheiße!
    Wie sollte er aus dem Käfig entkommen, wenn diejenige tot war, die mit ihrer Magie die Stäbe verschwinden lassen konnte?
    Aus dem Inneren des Teerwesens hörte er ein trockenes Knacken.
    »Nein!«, schrie er. »Lass sie in Ruhe.«
    Die Kreatur stockte. Rhett konnte ihre Verwirrung spüren. Warum erteilte ihr Schöpfer so widersprüchliche Befehle?
    »Hör auf! Bitte! Sie muss mich erst hier rausholen. Los, verschwinde!«
    Tatsächlich zog sich die schwarze Masse von der Puppe zurück. Rhett hatte Angst vor dem, was er zu sehen bekäme. Hatte er seinen Beschützer zu spät gestoppt?
    Zunächst rührte die Puppe sich nicht, als sie komplett vom Teer befreit war. Durch ihr weißes Gesicht zog sich ein gezackter, diagonaler Sprung, der das nette Lächeln in eine Fratze des Wahnsinns verwandelte.
    Jetzt stimmt der äußere Anschein wenigstens mit den inneren Werten überein! , dachte Rhett.
    Mit einem Knirschen drehte die Hexe dem Erbfolger ihre Grimasse zu.
    Im ersten Moment war Rhett erleichtert, dass sie noch lebte. Jetzt könnte sie ihn erst befreien. Danach konnte er seinen Beschützer immer noch auf sie hetzen. Wichtig war jetzt erst einmal, aus diesem Käfig…
    Rhett stutzte.
    Was war denn mit dem Teerwesen los? Es löste sich auf! Es verwandelte sich in schwarzen Dunst, der trotz der Windstille nach und nach verwehte. Aber warum?
    Ich Idiot!
    Er hatte dem Wesen befohlen zu verschwinden. Und so, wie es bisher alle Befehle befolgt hatte, befolgte es auch diesen. Wortwörtlich!
    Rhett musste es aufhalten! Er brauchte es doch nachher noch!
    »Nein!«, kreischte er. »Du musst hierbleiben!«
    »Nein, mein Söhnchen! Muss es nicht.«
    Die Hexe ballte ihre weißen Porzellanfinger zu Fäusten. Dabei brach der Ringfinger der linken Hand ab, aber das störte sie nicht weiter. Sie reckte sie der sich auflösenden Teerwolke entgegen und murmelte einige für Rhett unverständliche Worte. Dann streckte sie ihre neun Finger wieder aus - und das Teerwesen verpuffte ins Nichts, als hätte es nie existiert.
    »Nein!«, keuchte Rhett. »Das darf nicht wahr sein.«
    Seine letzte Hoffnung war dahin.
    »Du scheinst mir etwas ganz Besonderes zu sein, mein Bübchen! Aber das wird dir auch nicht helfen.«
    Die Hexe fuchtelte ein Zeichen in die Luft. Im gleichen Augenblick spürte Rhett, wie seine Muskeln erschlafften, sich die Fäuste öffneten, sich der Blick eintrübte.
    Er hätte zusammensacken müssen, aber eine Kraft sorgte dafür, dass sein Körper stehen blieb.
    Nein, nicht nur stehen blieb, sondern auch loslief!
    Nein! , schrie er in Gedanken. Halt! Rühr dich nicht!
    Doch offenbar konnten seine Beine sein Gehirn nicht hören und so marschierten sie unverdrossen Richtung Aschehaufen. Gleichzeitig lösten sich die Gitterstäbe an einer Seite des Käfigs auf. Genau wie es vorhin bei Jack gewesen war.
    Wehr dich doch! Tu etwas! Irgendetwas!
    Aber was? Was sollte er tun?
    Jede Faser seines Körpers protestierte, stemmte sich gegen den unhörbaren Befehl der Hexe - und befolgte ihn dennoch.
    Wie konnte das sein? Hätte ihn die Llewellyn-Magie nicht vor geistiger Beeinflussung beschützen müssen? Er wusste es nicht! Wieder einmal konnte er sich nicht daran erinnern, wie es in seinen
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