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0903 - Der Schattenkelch

0903 - Der Schattenkelch

Titel: 0903 - Der Schattenkelch
Autoren: Oliver Fröhlich
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Autodach nicht verstehen konnte. »Ihren Ausweis!«, forderte der Polizist schließlich.
    Zamorra glaubte, sich verhört zu haben. Seine Laune war ohnehin nicht die beste! Er hatte in der letzten Zeit mit den Umbrüchen in der Hölle wirklich genug zu tun gehabt und hätte sich gerne einmal zwei, drei Tage entspannt. Ihm spukte immer noch im Kopf herum, dass der alte Zauberer Merlin gestorben war, dass Lucifuge Rofocale nicht mehr war und sein alter Kampfgefährte Fu Long auf einmal der Fürst der Finsternis war. Er hatte noch keine Ahnung, wie er diese Dinge einzuordnen hatte und wie er damit umgehen sollte und da war es ihm natürlich alles andere als gelegen gekommen, dass Robin ihn telefonisch aus dem Bett geholt und mit ein paar nichtssagenden Worten an den Tatort eines Verbrechens gebeten hatte.
    »Das solltest du dir ansehen!« Mehr hatte Robin nicht verraten.
    Nun stand Zamorra widerwillig hier und wies sich, wie es so schön hieß, durch Sachkenntnis aus - und diesem Typen draußen im Regen reichte das nicht!
    »Ihren Ausweis, Monsieur!«, wiederholte der Nasse. Nach einem Augenblick fügte er hinzu: »Bitte.«
    Andererseits wäre Zamorra sicher auch nicht begeistert gewesen, wenn er bei diesem Wetter den Job des Pförtners hätte machen müssen. Also schluckte er den Missmut hinunter, zog seinen Ausweis aus der Tasche und drückte ihn gegen die Seitenscheibe.
    »In Ordnung, Sie können durch.«
    Zamorra schloss das Fenster und fuhr los. Es dauerte noch eine gute Minute, bis er im Schritttempo die Straße durch einen riesigen Park hinter sich gebracht und den großen Platz vor der Villa des Clement Luynes erreicht hatte. Inmitten von Krankenwagen und Polizeiautos entdeckte Zamorra Robins Dienst-Mercedes. Er stellte seinen BMW daneben ab, sprang aus dem Wagen und hastete auf das Haus zu. Auf halbem Weg kam ihm Robin mit einem Regenschirm entgegen. Die Pfeife, die in seinem Mundwinkel klemmte, hüpfte bei jedem Schritt auf und ab. Angeblich half es Robin beim Nachdenken, wenn er stinkende Rauchschwaden einatmete. Zamorra konnte das nur schwer nachvollziehen.
    »Wenn du mich das nächste Mal bei so einem Wetter rufst, kannst du deinen Kram alleine machen!«, beschwerte sich Zamorra.
    »Jetzt stell dich nicht so an! Das ist doch nur ein kleines Tief.«
    »Das ist kein Tief mehr, das ist schon ein Trief!«
    Sie blieben unter einem Vordach vor dem Eingang zur Villa stehen. Robin schüttelte den Regenschirm aus und drückte ihn einem Uniformierten in die Hand, der vor der Tür stand. Da erst bemerkte Zamorra, dass Robins Pfeife gar nicht brannte. Womöglich hatte der Hausherr etwas dagegen, seine Villa in eine Räucherkammer zu verwandeln? Dennoch hatte Robin sie im Mund, also schien dies ein Augenblick zu sein, in dem er der Hilfe beim Nachdenken besonders bedurfte.
    »Wo hast du denn Nicole gelassen?«, erkundigte sich Robin nach Zamorras Sekretärin und besserer Hälfte.
    »Die ist für ein paar Tage in Paris.«
    »Ganz ohne dich?«
    Zamorra legte die rechte Hand aufs Herz. »Na ja, etwas von mir ist natürlich immer bei ihr.«
    »Was denn?«
    »Meine Kreditkarte!«, lachte Zamorra, wurde aber gleich wieder ernst. »Also, was ist los? Warum lässt du mich mitten in der Nacht hier antreten?«
    Robin sah auf die Uhr und runzelte die Stirn. »Es ist zehn Uhr vormittags!«
    »Sag ich doch: Mitten in der Nacht! Also, was gibt es?«
    Sie betraten die Vorhalle der Villa und Zamorra war baff. Er lebte im Château Montagne selbst nicht gerade in ärmlichen Verhältnissen, doch das, was er hier sah, verschlug ihm die Sprache. Der Hausherr oder dessen Inneneinrichter hatten offenbar nur ein einziges Ziel verfolgt: die Zurschaustellung von Reichtum. Der Fußboden bestand aus Carrara-Marmor. Hier stand eine Sitzgruppe aus Tropenholz, die vermutlich mehr gekostet hatte als ein Mittelklassewagen, dafür aber so gemütlich aussah wie eine Eiserne Jungfrau. Dort standen kitschige Vasen, auf denen goldene Gesichter zu sehen waren, die Zamorra aus aufgerissenen Froschaugen anglotzten. Da waren Wandteppiche, Gemälde (vermutlich nur Originale) und mit Edelsteinen versetzte Skulpturen. Alles furchtbar teuer - und der Großteil furchtbar hässlich.
    Völlig fehl am Platz wirkten dagegen die vielen Menschen, die sich in der Halle aufhielten. Manche von ihnen machten einen geschäftigen Eindruck, während andere mit leeren oder entsetzten Gesichtern herumstanden. Zamorra sah Ärzte und Polizisten, aber auch drei Frauen in
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