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090 - Moerderische Knochenhaende

090 - Moerderische Knochenhaende

Titel: 090 - Moerderische Knochenhaende
Autoren: Frank Sky
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zweite Tür.
    „Da ist das Fenster, Julia, mach es auf. Kennst du dieses Fenster?“
    „Nein.“
    „Durch dieses Fenster ist deine Tante in die Tiefe gesprungen, als sie siebzehn Jahre alt war. Sie starb so, wie du gleich sterben wirst.“
    „Ich will nicht sterben.“
    Die Unheimliche lachte höhnisch.
    „Das Fenster ist noch nicht offen, Julia. Willst du nicht tun, was ich gesagt habe?“
    Julia streckte gehorsam die Hände nach dem Fenster aus und zog es auf. Wäre sie in einem anderen Zustand gewesen, dann hätte sie von hier aus die Kapelle sehen können. Aber sie sah überhaupt nichts. Sie war nicht sie selbst, und sie befand sich in der Hand eines Wesens, das entschlossen war, sie in den Tod zu schicken.
    Sie war absolut hilflos.
    „Carlotta“, murmelte sie. „Carlotta, warum hilfst du mir nicht?“
     

     
    Carlotta Vespari wich unwillkürlich zurück, als Adriano di Cosimo den Sarkophag öffnete.
    „Es ist, wie ich vermutet habe“, sagte der Gutsverwalter. „Von der Leiche ist kaum noch etwas übrig, und von den Augen auch nicht.“
    „Kohle vergeht doch“, fügte Carlotta hinzu.
    Erschauernd blickte sie auf die mumifizierte Leiche. Nur noch eine hauchdünne, pergamentartige Haut spannte sich über den Schädel, die Augen waren eingetrocknet.
    „Dann gibt es nur eine Möglichkeit“, sagte Piero di Abbaccio. „Wir müssen sämtliche Gräber der Bernsteinfarbenen auf dem Friedhof öffnen. Ich bin sicher, daß wir in allen diese seltsamen Kugeln finden werden. Wir werden sie zerstören und damit vielleicht jenen Fluch brechen, der seit Jahrhunderten über diesem Schloß liegt.“
    „Dann muß Rodrigo uns helfen“, erwiderte Adriano. „Für uns allein ist es zu viel Arbeit.“
    „Ich werde ihn holen“, erklärte Carlotta Vespari.
    „Und wir beginnen mit der Arbeit“, sagte Piero.
    Die Erzieherin eilte aus der Gruft. Sie lief auf das Schloß zu. Als sie es fast erreicht hatte, fiel ihr etwas Helles im Dachgeschoß auf. Sie hob den Kopf und blicktehinauf.
    Julia kniete auf dem Fensterbrett eines offenen Fensters und war offensichtlich bereit, sich in die Tiefe zu stürzen.
    „Julia!“ schrie die Erzieherin. „Julia! Julia!“
    Sie wiederholte den Namen immer wieder, bis Piere di Abbaccio und Adriano di Cosimo zu ihr kamen. Das Mädchen im Fenster bewegte sich. Sie schien aus einem tiefen Schlaf zu erwachen. Entsetzt schlug sie die Hände vor das Gesicht.
    Adriano di Cosimo rannte ins Schloß. Er raste wie ein Besessener die Treppen hoch. Piero di Abbaccio folgte ihm. Die beiden Männer warfen sich oben verzweifelt gegen die verschlossene Tür, ohne sie aufbrechen zu können. Sie meinten, sich die Zeit nicht nehmen zu dürfen, brauchbares Handwerk zu holen, und sie glaubten, es auch so schaffen zu können. Doch die Tür erwies sich als außerordentlich hart.
    Carlotta stand währenddessen unter dem Fenster und schrie immer wieder Julias Namen. Sie sah die schattenhafte Gestalt hinter dem Mädchen auftauchen, und sie glaubte, die Worte der Fremden zu hören. Julia schwankte. Sie schien ihren ganzen Willen aufzubieten, um sich gegen die unheimliche Macht zu wehren, aber Carlotta konnte sehen, daß ihr Widerstand von Sekunde zu Sekunde schwächer wurde. Da gab sie es auf, Julia so helfen zu wollen. Sie rannte ins Schloß, hetzte die Treppe hoch und stürzte in Julias Zimmer. Sie sah, daß Silvana wie hypnotisiert schlief, kümmerte sich nicht um sie und holte unter dem Kopfkissen die beiden bernsteinfarbenen Kugeln hervor. Damit raste sie die Treppen wieder hinunter.
    Unten blickte sie zu Julia hinauf.
    Das Mädchen stand auf der Dachkante und schwankte hin und her. Sie mußte jeden Moment in die Tiefe stürzen.
    Carlotta Vespari schrie gellend auf, aber sie konnte sehen, daß ihr Schrei auf Julia nicht wirkte. Da fuhr sie herum und lief, so schnell sie konnte, zur Kapelle hinüber, in der einige Kerzen brannten. In der Tür drehte sie sich noch einmal um. Julia stand noch immer auf der Dachkante.
    Carlotta Vespari durchquerte die Kapelle, blieb vor dem Taufbecken stehen und goß etwas Weihwasser hinein. Dann ließ sie die beiden Bernsteinaugen hineinfallen.
    Sie hatte erwartet, daß irgend etwas Besonderes geschehen würde, aber es geschah nichts. Die beiden Kugeln verschwanden einfach in der Flüssigkeit, so als wären sie nie gewesen.
    Vom Schloß her kam ein grauenhafter Schrei. Carlotta lief es eiskalt über den Rücken. Sie wagte kaum, zur Tür zurückzugehen, weil sie Angst hatte,
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