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090 - Moerderische Knochenhaende

090 - Moerderische Knochenhaende

Titel: 090 - Moerderische Knochenhaende
Autoren: Frank Sky
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Schädel der Toten sehen konnte. Sie war keineswegs überrascht, daß die Augen fehlten. Plötzlich wußte sie auch, weshalb Julia die Hände so verkrampft hatte.
    „Mein Gott“, sagte sie leise. „Das arme Kind.“
    Sie kehrte zur Kapelle zurück, wo sie an der Mauer eine Schaufel gesehen hatte. Sie nahm das Gerät und begann damit, das Grab wieder zu verschließen. Als sie es fast geschafft hatte, packte sie jemand an der Schulter und riß sie ruckartig herum. Carlotta wäre fast gestürzt.
    „Was, zum Teufel, treiben Sie hier?“ schrie die Marchesa Luisa di Cosimo.
    „Das sehen Sie doch“, antwortete die Erzieherin heftig.
    „Sind Sie zu uns gekommen, um die Gräber zu plündern?“
    „Die Gräber der Dienerschaft?“ fragte Carlotta Vespari verächtlich. „Das glauben Sie doch wohl selbst nicht. Ich habe das Grab wieder zugeschüttet.“
    „Wer hat es geöffnet?“ Die Marchesa packte die Erzieherin so wild an der Schulter und rüttelte sie so zornig, daß sie zu Boden stürzte. Statt Carlotta wieder auf die Beine zu helfen, stieß sie sie zurück, so daß sie abermals in den Schmutz fiel. Sie beugte sich über sie und krallte ihre Finger in ihr Haar.
    „Wer hat es getan, frage ich Sie“, keifte sie mit sich überschlagender Stimme.
    Carlotta Vespari befreite sich mit einem geschickten Griff. Die Marchesa rutschte auf dem glatten Boden aus und landete bäuchlings auf dem fast verschlossenen Grab. Wie eine Furie schnellte sie wieder hoch. Bevor sie Carlotta Vespari erneut angreifen konnte, schlug ihr diese kraftvoll die Hand ins Gesicht. Die Marchesa schrie auf. Ihre Augen glühten vor Haß. Die Erzieherin versetzte ihr noch eine zweite Ohrfeige. Wie erstarrt blieb Luisa die Cosimo stehen.
    „Ich hoffe, Sie kommen nun endlich zur Vernunft“, sagte Carlotta scharf. „Wenn nicht, werde ich Sie so lange verprügeln, bis ich mit Ihnen wie mit einer Erwachsenen reden kann.“
    „Sie wagen es, mich zu schlagen?“
    Die Augen der Marchesa verengten sich zu schmalen Schlitzen.
    „In diesem Grab liegt Ihre Schwester Teresa. Sie starb, weil sie siebzehn Jahre alt war und bernsteinfarbene Augen hatte, genau wie Ihre Tochter Julia.“
    Die Marchesa sank in sich zusammen. Sie ließ die Arme hängen und blickte Carlotta Vespari fassungslos an.
    „Was wissen Sie davon?“
    „Ich weiß, daß Julia heute nacht hier war und das Grab geöffnet hat. Sie wollte vermutlich die Augenfarbe der Toten sehen. Ich hatte die Absicht, vor Ihnen zu verbergen, was Julia in ihrer Verzweiflung getan hat, aber es ist mir nicht geglückt.“
    Die Marchesa senkte den Kopf. Ihre Schultern zuckten. Stumm wandte sie sich ab und ging durch den Regen davon. Sie schien die Erzieherin vergessen zu haben.
    Carlotta Vespari nahm die Schaufel wieder auf und schloß das Grab. Außer ihr und der Marchesa brauchte niemand zu wissen, was vorgefallen war.
     

     
    Als die Marchesa Luisa di Cosimo allein in ihrer Zimmerflucht war, ertönte plötzlich leise Musik. Die Klänge des Adagio aus dem Klavierkonzert Nr. 2 in B-Dur von Beethoven wehten durch die Räume. Sie blieb wie angewurzelt stehen. Das Regenwasser tropfte aus ihren Kleidern auf den Boden, aber sie merkte es nicht. Wie gelähmt lauschte sie den vertrauten Klängen nach.
    „Marco“, wisperte sie. „Mein Gott, Marco, warum läßt du mich nicht in Ruhe?“
    Die Klaviermusik schien aus allen Ecken zu kommen. Sie wurde von Sekunde zu Sekunde lauter. Deutlich konnte die Marchesa jemanden atmen hören, aber wohin sie sich auch wandte, sie entdeckte niemanden.
    „Marco!“ schrie sie. „Marco – wo bist du?“
    Sie hastete durch die Räume, eilte von einer Tür zur anderen, verriegelte sie, rannte zu den Fenstern, überprüfte, ob auch sie verschlossen waren, und zog die Vorhänge zu. Doch das half ihr nichts. Die Klavierklänge drangen von allen Seiten auf sie ein.
    „Marco, bitte“, sagte sie wimmernd. Sie sank auf die Knie. Es knackte an der Tür. Sie blickte mit vor Angst geweiteten Augen auf. Die Türklinke bewegte sich unendlich langsam, dann öffnete sich die Tür einen Spalt breit. Sie erkannte eine menschliche Gestalt, die zu ihr herein spähte.
    „Marco!“ Ihr Schrei gellte durch die Räume, erreichte jedoch nicht alle Winkel des Schlosses, da der Regen gegen die Fenster trommelte und sie übertönte.
    Die Tür schloß sich wieder.
    Auf allen vieren kroch sie auf die Tür zu. Wimmernd erhob sie sich. Sie überwand ihre Angst und stieß die Tür auf. Sie schwang zur Seite
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