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090 - Die Totenwache

090 - Die Totenwache

Titel: 090 - Die Totenwache
Autoren: Dämonenkiller
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Dornröschen und dem Prinz. Er wollte sie küssen und umarmen.
    Doch er traute sich nicht näher an sie heran.
    Er spürte die Lockung, die von ihr ausging. Doch er gab ihr nicht nach. Seine Angst war größer. Da niemand nach ihm suchte, blieb er den ganzen Tag vor dem steinernen Sarkophag stehen. Er geriet immer tiefer in den geheimnisvollen Bann der unwirklichen Schönen - und der Knochenmann war sein stummer Zeuge.

    Dorian Hunter war verschwunden.
    Es geschah selten, daß sich der Dämonenkiller nicht bei seinen Freunden meldete. Sonst wußten sie, in welcher Gegend er sich gerade aufhielt oder welche Ziele er verfolgte.
    Diesmal war es anders. Dorian blieb verschollen. Kein Telefonanruf, kein Brief, gar nichts.
    Castillo Basajaun lag friedlich im Licht der Herbstsonne. Das Laub der Bäume raschelte im Wind. Es hatte sich goldgelb verfärbt. In der Ferne ballten sich Regenwolken zusammen.
    Das Schloß bestand nur noch aus dem Hauptgebäude, dessen Grundriß U-förmig war. Die Vorderfront war knapp achtzig Meter lang. Der vierkantige Burgfried in der Mitte des Innenhofes überragte das Hauptgebäude. Ganz oben konnte man die Funkantenne erkennen, die sich im Wind wiegte. Obwohl Castillo Basajaun mit allen Errungenschaften der modernen Technik ausgestattet war, machte das Schloß einen düsteren, unheilvollen Eindruck. Die finstere Vergangenheit hatte dem Bauwerk ihren Stempel aufgedrückt. Es ließ sich nicht mehr sagen, ob die Schandtaten der Inquisition daran schuld waren oder das grausame Wirken des Manuel Etzarch de Alicante. Wenn man den schweren Türklopfer betätigte - er bestand aus einem bronzenen Drachen -, dann wurde ein dumpfer Widerhall ausgelöst, der sich durch das unterirdische Gewölbe fortpflanzte.
    Man hätte Castillo Basajaun für eine Festung dämonischer Satanisten halten können. Doch das Gegenteil war der Fall. Hier lebten und arbeiteten Dorian Hunters Freunde. Castillo Basajaun war ebenso wie die Jugendstilvilla in London ein Hort der Weißen Magie.
    Im linken Trakt waren die Büros der Gemeinschaft untergebracht. Hier befand sich die Telefonzentrale mit dem Fernschreiber. Im rechten Trakt lagen die Forschungsräume. Dort wurde auch der Zyklopenjunge Tirso unterrichtet. Diese beiden Zentren von Castillo Basajaun befanden sich jeweils im ersten Stock.
    Von hier aus hatte man einen Blick auf die Schotterstraße, die durch das Valira del Norte führte. Genauer gesagt, zwischen Ordina und El Serrat.
    Hideyoshi Hojo stand am Fenster. Er starrte in den goldenen Herbst Andorras hinaus und runzelte die Stirn. Weder ein Wagen noch ein Fußgänger kam über die alte Straße nach Castillo Basajaun. „Yoshi", wie seine Freunde ihn nannten, war Japaner. Man hatte sich an ihn gewöhnt. Nicht, daß er sich ungewöhnlich oder exzentrisch verhalten hätte - aber als Vertreter der fernöstlichen Mystik gab er der Dämonenjagd oft ungewöhnliche Akzente. Seine Methoden waren unkonventionell und muteten oft skurril an. Von den klassischen Dämonenbannern des Abendlandes hielt er nicht viel. Weihwasser und Kruzifixe waren für ihn nichts anderes als begrenzt wirksame Symbole.
    Plötzlich ging die Tür auf. Obwohl Yoshi den Näherkommenden nicht zu Gesicht bekam, rief er: „Schlechte Nachrichten aus London, nicht wahr, Abi?"
    Der breitschultrige Däne blieb überrascht stehen.
    „Kannst du Gedanken lesen, Yoshi?"
    Langsam drehte sich der Japaner um. Abraham „Abi" Flindt überragte ihn genau um fünfundzwanzig Zentimeter. Gegen den Dänen war Yoshi ein Winzling.
    „Ich konnte Aas Ticken des Fernschreibers bis hierher hören…"
    Abraham Flindt lächelte. Er war blond und besaß hellblaue Augen. Er bewunderte die feinsinnige, sensible Art des Japaners.
    „Die anderen sind ganz aus dem Häuschen…"
    „Weil Dorian verschwunden ist?"
    „Nein…", erwiderte Abraham Flindt gedehnt. „In London scheint der Teufel los zu sein. Es geht um diese merkwürdige Vision. Alle Zeitungen sind voll davon. Trevor Sullivan konnte sich das Phänomen genausowenig erklären wie wir."
    „Hat er irgendwelche Andeutungen gemacht?"
    Im Gesicht des Japaners spiegelte sich unverhohlene Neugier. Seine Schlitzaugen zogen sich zusammen und verliehen ihm ein katzenhaftes Aussehen.
    „Dem Text war zu entnehmen, daß die Erscheinung in London häufiger als anderswo zu beobachten war."
    Hideyoshi Hojo ging an dem Dänen vorbei.
    „Wir sollten sofort ein Telefongespräch nach London anmelden. Die Angaben, die über den Fernschreiber
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