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09 - Die Weltuntergangs-Maschine

09 - Die Weltuntergangs-Maschine

Titel: 09 - Die Weltuntergangs-Maschine
Autoren: Timothy Stahl
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zu Jandro zu haben, der den Schlüssel trug, sondern der Junge und Maria Luisa schienen selbst aus seinen Gedanken zu verschwinden, als ergriffe die Leere auch davon Besitz.
    Aber all das verging. So war es auch zuvor immer gewesen, und endlich spürte Tom unvermittelt wieder festen Boden unter den Füßen und die Vorwärtsbewegung, in der er jenen Schritt zu Ende führte, mit dem er drüben in das »Tor« hineingetreten war.
    Alles wie immer.
    Nur etwas war anders.
    Diesmal wurde es nicht hell um sie her, es blieb stockfinster.
    Und dann schrie jemand, durchdringend laut und so spitz, dass die Dunkelheit allein unter diesem Schrei regelrecht zu zerplatzen schien!
    ***
    Wo hätte sich frühchristliche Kultur anschaulicher studieren lassen als hier – am ehemals lebenden Objekt?
    Sophie Schultheiß, eigentlich Archäologiestudentin an der Universität Münster, war seit zwei Wochen in Rom, und den allergrößten Teil dieser Zeit hatte sie hier verbracht, unter Rom, unter der Erde – und unter Toten.
    Unter Tausenden von Toten, wenn die Schätzungen nicht zu hoch griffen, was angesichts der Ausdehnung dieses unterirdischen Labyrinths auszuschließen war. Zumal ein großer Teil noch nicht erforscht und ein anderer großer Teil noch nicht einmal freigelegt war.
    Im Jahr 2003 – als Sophie Schultheiß noch nicht im Entferntesten daran gedacht hatte, später Archäologie zu studieren – war man auf die Nekropole gestoßen, als man unter dem Vatikan eine Tiefgarage bauen wollte. Inzwischen war ein Teil der Anlage für kleine Gruppen vorangemeldeter Besucher freigegeben, während weitere Ausgrabungen zunächst geruht hatten und erst vor kurzer Zeit wieder aufgenommen worden waren. Sophie verdankte es ihrer Mutter, die Beziehungen in den Vatikan hatte, dass sie für ein paar Wochen an den Arbeiten teilnehmen durfte.
    Und es hatte ihr großen Spaß gemacht – bis jetzt. Im Beisein des Teams, das sich aus gestandenen und angehenden Archäologen zusammensetzte, machte es ihr nichts aus, von uralten Leichen gewissermaßen umzingelt zu sein.
    Aber jetzt hatte sie sich verirrt in dieser Totenstadt mit ihren hundert Wegen und Gassen, von denen viele nur schulterbreit waren, manche im Kreis und andere in Sackgassen führten, die niedrigen Decken abgestützt mit Stempeln, Balkenkonstruktionen und Betonmauern.
    Im ersten Moment war ihr der Lapsus nur peinlich gewesen. Inzwischen allerdings war ihr regelrecht unheimlich zumute. Und jetzt grenzte das Gefühl an Angst und drohte diese Grenze zu überschreiten.
    Es war eben eine Sache, zusammen mit einem Dutzend Gleichgesinnter eine Nekropole auszubuddeln, die Gräber von Personen zu erkunden, die vor zweitausend Jahren gestorben waren, und fasziniert jeden frisch abgepinselten Stein zu bestaunen und darüber zu spekulieren, wer an dieser Stelle bestattet worden war und was das für ein Mensch gewesen sein mochte.
    Aber es war etwas ganz anderes, mutterseelenallein zwischen Gräbern, Grabnischen und Totenhäusern hindurchzutappen und sich angestarrt zu fühlen, durch Stein und Erde hindurch, von Menschen, die man in ihrer zweitausendjährigen Ruhe störte und die sich erheben wollten, um den Eindringling zu vertreiben. Denn ihre Fantasie wollte Sophie auch weismachen, dass die dumpfen Geräusche, die sie von irgendwoher hörte, nicht etwa von ihren Kollegen stammten, die an den Grabstätten arbeiteten, sondern aus den Grüften herausdrangen.
    Das Licht ihrer Lampe schien sich mit ihrer Vorstellungskraft gegen sie verschworen zu haben. Immer wieder wurden ihr Bewegungen knapp außerhalb des Lichtkegels vorgegaukelt, wo doch nichts war außer Mauerstein oder Erdreich. Zudem schien die Helligkeit der Lampe abzunehmen. Ließen die Batterien schon nach? Oder veränderte sich die Qualität der Finsternis … wurde sie tintiger, zäher? Der Strahl ihres eigentlich leistungsstarken Handscheinwerfers schien darin herumzustochern wie in schmutzigem Wasser.
    Und dann bewegte sich wirklich etwas!
    Sophie blieb stehen. Weil ihr die Beine schlicht den Dienst versagten. Weil ihr auf einen Schlag so kalt war, dass ihr ganzer Körper einzufrieren drohte. Und weil ihr Kopf wie von einer unsichtbaren Hand gedreht wurde, deren eisige Finger unter ihrem Kinn zu liegen schienen.
    Dort … Da war doch Licht! Oder …?
    Nein. Kein Licht jedenfalls, wie es eine andere Lampe verbreitet hätte.
    Aber etwas war da. Ein Schimmer. Ein geisterhaftes Leuchten, dessen Helligkeit jedoch nichts aus der Schwärze
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