Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0881 - Zentrum der Angst

0881 - Zentrum der Angst

Titel: 0881 - Zentrum der Angst
Autoren: Volker Krämer
Vom Netzwerk:
der tosende Lärm ab, den die Musiker in der Halle nun entfacht hatten - van Zant hielt das für übelste Brachialmusik, die im Vergleich zu den ersten Songs doch mächtig abfiel. Wenn es nicht zu dem Vorfall gekommen wäre, dann hätte er sich dennoch schleunigst verabschiedet. Er hatte wortwörtlich genug gehört!
    Die Frau lehnte sich gegen die Außenwand der Halle. Es war empfindlich kühl, und Artimus schaute besorgt auf die nackten Füße seiner Begleiterin.
    »Sie sollten sich Schuhe anziehen. Sie holen sich hier sonst was weg.« Artimus wurde sich bewusst, dass er sich soeben wie eine besorgte Mutter angehört hatte.
    Die Frau lächelte ihn mühevoll an. »Wo lernt ihr Männer es nur, Frauen so gezielt ins Gesicht zu schlagen? Gibt es da so etwas wie einen Lehrgang, den ihr besucht?« Dann schüttelte sie den Kopf. »Was red ich hier? Ich muss mich erst einmal bedanken - du hast mir ganz sicher weitere Prügel erspart. Ich danke dir.« Ganz locker war sie in das vertrauliche Du gewechselt, doch das war Artimus ganz recht.
    Vorsichtig betastete er die Schläfe der Frau, die schmerzvoll das Gesicht verzog. »Das gibt wahrscheinlich einen feinen Bluterguss. Du hast Glück gehabt, dass der Idiot nicht gut genug gezielt hat. Er hatte es sicher auf dein Auge abgesehen. Kann ich dich zu deinem Wagen bringen?«
    »Wagen?« Sie sah van Zant verblüfft an. »So einen Luxus kann ich mir nicht leisten. Aber du könntest mir sagen, wie spät es ist?«
    Artimus trug keine Armbanduhr, doch das Display seines Handys tat den gleichen Dienst. Es war kurz vor 22 Uhr.
    »Oh Gott, mein Auftritt! Ich bin schon viel zu spät… sag einmal, könntest du mich fahren? Ist nicht weit von hier.«
    Vom Physiker zum Krieger - und zum Chauffeur. Artimus war nicht sicher, ob man das Karriere nennen konnte, doch der Abend war zu nichts Besserem zu gebrauchen. Er stützte sie noch leicht, während sie zu seinem Wagen gingen.
    ***
    »El Paso ist ein schreckliches Nest.«
    Van Zants Mitfahrerin blickte aus den Seitenfenster, während der Physiker sich auf die Straße konzentrieren musste - auch um diese Uhrzeit herrschte in dem Nest erstaunlich dichter Verkehr.
    »Also ich weiß ja nicht… immerhin hat es hier an die 600 000 Einwohner.«
    Die junge Frau blickte zu Artimus. »Ich meinte das ja auch in einer ganz anderen Hinsicht. Kulturell ist El Paso noch immer Weideland, verstehst du? Aber vielleicht sollten wir uns erst einmal vorstellen?«
    Ihr Lächeln machte van Zant nervös.
    »Artimus van Zant - Doktor der Physik, aber den Doktor vergiss gleich wieder. Ich arbeite bei Tendyke Industries.« Mehr musste sie erst einmal ja nicht wissen.
    Sie setzte sich gerade hin, machte ein wichtiges Gesicht. »Rola DiBurn - Performance-Künstlerin von Weltrang.« Artimus hatte diesen Namen nie zuvor gehört, und entsprechend karg fiel seine Reaktion aus. Sie bemerkte das leicht deprimiert. »Okay, vielleicht noch nicht so ganz von Weltrang, aber ich bin auf dem Weg dorthin. Und wenn du jetzt nicht ein wenig mehr Gas gibst, dann verpasse ich einen vielleicht entscheidenden Auftritt, der mir zumindest die Miete für diesen Monat einbringt. Und frag jetzt nicht, ob das mein richtiger Name ist… dazu gebe ich keinerlei Auskünfte.« Sie streckte ihre Stupsnase noch ein wenig höher in die Luft.
    Rola DiBurn - van Zant konnte sich ein Grinsen kaum verkneifen. Wahrscheinlich hieß sie Jane Smith, Paula Meyer oder so ähnlich. Aber Kola passte irgendwie tatsächlich besser zu ihr.
    In einer recht düsteren Nebenstraße lenkte Rola ihren Fahrer auf einen winzigen Parkplatz, der neben dem Hintereingang einer nicht minder düster aussehenden Bar lag. Ehe van Zant sich versah, fand er sich im Backstage-Bereich dieses Schuppens wieder. Rola schnappte sich einen wahren Riesen, der dort gelangweilt herumstand.
    »Bobby, kannst du meinen Freund hier nach vorne bringen? Er soll sich meine Show unbedingt ansehen… und mich, anschließend nach Hause fahren?« Diese angehängte Frage ging natürlich an Artimus, der nur ergeben nickte. Warum eigentlich nicht? Jeder andere hätte sich darum gerissen, ein so süßes Mädchen zu ihrem Apartment bringen zu dürfen. War er denn wirklich mittlerweile so abgestumpft und nicht mehr in der Lage, einen witzigen Abend zu genießen?
    Er nahm sich vor, das Beste daraus zu machen - in allen Ehren selbstverständlich, denn Rola hätte ja beinahe seine Tochter sein können. Van Zant war Südstaatler, und trotz all der verrückten Dinge,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher