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0866 - Rattennacht

0866 - Rattennacht

Titel: 0866 - Rattennacht
Autoren: Jason Dark
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»Nein.«
    »Da stimmt einiges nicht.«
    Ich nickte nur und wandte meine Aufmerksamkeit wieder diesem Absalom und seinen Ratten zu.
    Der Mann hatte es nicht mehr geschafft, auf den eigenen Füßen stehen zu bleiben. Er war wieder zurück auf den Grabstein gesunken, und diesmal schwankte er, wie bei starken Windböen.
    »Der macht es nicht mehr lange«, sagte Suko. »Wir könnten zu ihm gehen, John.«
    »Und dann?«
    »Ich weiß es nicht, aber so sieht nicht jemand aus, der unbedingt gewinnen will oder schon gewonnen hat.«
    Ich gab Suko recht. Dieser Absalom schien wirklich am Ende zu sein, denn seine Ratten hatten es ihm vorgemacht. Sie bissen sich zwischen den bleichen Gebeinen zu Tode. Sie zerfetzten sich, sie rissen Fleischstücke aus den Körpern, sie kratzten einander die Augen aus, und die Schreie der sterbenden Tiere hörten sich an, als würden Hände über die verstimmten Saiten einer Harfe schaben, aber nur die Töne in den höheren Frequenzen treffen.
    Auch Absalom kämpfte.
    Er schüttelte sich, er hockte an seinem Grabstein, den Kopf gesenkt, er schwankte, er jammerte und heulte. Für die sterbenden Ratten hatte er nicht einen Blick, sie waren ihm so gleichgültig geworden.
    Jetzt ging es einzig und allein um ihn.
    Shao trat zu uns. Sie tippte uns an. Ein kurzes Nicken. »Wir sollten zu ihm gehen. Er ist am Ende, die Ratten sind es ebenfalls. Es bleibt für uns kaum etwas zu tun.«
    Hatte sie recht?
    Ich wußte es nicht. Es konnte sein, aber in mir regte sich schon eine gesunde Portion Skepsis.
    »Warum zögerst du?« fragte Suko.
    »Nicht mehr«, erwiderte ich…
    ***
    Da war etwas!
    Er spürte es genau, aber er wußte nicht, was ihn da in den Klauen hielt. Es hatte sehr direkt mit ihm zu tun, nur konnte er es weder fassen noch begreifen. Er kam überhaupt nicht damit zurecht, dachte aber darüber nach und kam zu dem Ergebnis, daß es sich dabei um ein Stück Vergangenheit handeln mußte.
    Vergangenheit, die es nicht gab!
    Er stöhnte auf, riß die Arme hoch und preßte die Hände gegen sein Gesicht, in dem die Haut so anders, so glatt und auch so unnatürlich weich geworden war.
    Ganz anders. Warum? Wieso? Und weshalb bekam sein Körper einen so starken Druck. Fetzen durchrasten ihn, oder durchschossen sie seine Seele? Er konnte sich an nichts erinnern. Es war alles so schrecklich. Es lag in der absoluten Tiefe begraben, in einer Dunkelheit, die er nicht beschreiben konnte.
    Etwas fiel ihm ein.
    Durchzuckte sein Gehirn wie eine Kette von stroboskopartigen Blitzen und setzte sich dann erst zusammen, wobei aus den Blitzen Buchstaben wurden.
    Ein E, ein M, ein I, ein L und ein Y.
    Emily!
    Ein Name, der Name einer Frau oder eines Mädchens. Wieso denn Emily?
    Er schrie leise und wimmernd. Er hatte den Namen noch nie gehört, aber er brannte sich in seinem Hirn fest, und plötzlich war er auch in der Lage, ihn auszusprechen.
    Mehrmals drang er relativ laut aus seinem Mund. Daß ihm drei Menschen zuhörten, sah er nicht, weil sein Blick durch den Tränenschleier verschwommen war.
    Das Wasser hatte sich vorhanggleich vor seine Augen gelegt, und er spürte auch die Nässe auf der sich veränderten Haut.
    »Emily…«
    Ein Stöhnen, ein Schluchzen, aus dem die reine Verzweiflung mitklang. Er konnte nicht mehr, die Kräfte dieses Menschen waren einfach aufgebraucht. Eine fremde Kraft preßte ihm die Brust zusammen, sie breitete sich aus, so daß sie den gesamten Körper erfaßte, und Absalom daran hinderte, normal Atem zu holen.
    Das schaffte er nicht mehr.
    Er atmete nicht.
    Was da aus seinem Mund drang, das waren Geräusche. Ungewöhnliche Laute für einen Menschen, allerdings nicht für eine Ratte.
    Diese Tatsache bohrte sich in sein Hirn und veranlaßte ihn gewissermaßen zu einer letzten menschlichen Handlung. Er schaffte es, den rechten Arm zu heben und seine Hand dicht vor die Augen zu halten, weil er zugleich in den Fingern ein ungewöhnliches, schmerzhaftes Ziehen verspürt hatte. Er schaute hin, und er konnte es trotz des verfluchten Tränenschleiers erkennen.
    Das war nicht mehr seine Hand, das war die Pfote einer Ratte!
    ***
    Und genau diese Bewegung hatten auch wir wahrgenommen. Wir standen wie die Ölgötzen vor diesem Mann und schauten zu. Es gab für uns keinen Grund mehr, einzugreifen, denn er tat uns nichts. Es sah so aus, als würde er uns auch in der nahen Zukunft nichts tun, weil er zu sehr mit sich selbst und mit seiner Verwandlung beschäftigt war.
    Wir hatten den Namen gehört, wir
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