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0863 - Auf den Schwingen des Todes

0863 - Auf den Schwingen des Todes

Titel: 0863 - Auf den Schwingen des Todes
Autoren: Christian Schwarz
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sie schon lange nicht mehr in den Mund - jegliches Vertrauenin die Männer verloren hatte und deswegen das Alleinsein vorzog, nestelte den Haustürschlüssel aus ihrer Handtasche. Auch wenn sie eine halbe Ewigkeit nicht mehr hier gewesen war, besaß sie ihn noch immer.
    Ob er noch passte?
    Mit zitternden Fingern steckte sie ihn ins Schloss und drehte ihn. Die Tür sprang leise quietschend auf. Wendy schob sie zurück und trat in den finsteren Flur. Sie schnupperte. Es roch fremd. Vom Geruch ihrer Kindheit, der selbst bei ihrem Auszug noch vorgeherrscht hatte, war nichts geblieben.
    Wendy schloss die Tür und knipste das Licht an. Wenigstens sah alles noch so aus, wie sie es in Erinnerung hatte. Nervös sah sie sich um, als sie weiter ins Haus vordrang.
    Ob der Geist Wingharts noch hier herumschwebt und mich beobachtet?
    Sie spürte, wie es ihr bei diesem Gedanken eiskalt den Rücken hinunterlief. Wendy schüttelte sich unwillkürlich. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen und stieg die Treppe zum Schlafzimmer hoch. Sie durchwühlte die ehemaligen Kommoden und Schränke ihrer Mum, fand aber weder ihren Schmuck noch die Briefe und Fotos, auf die sie scharf war.
    Wendy fluchte leise vor sich hin. Hatte Winghart die Sachen tatsächlich weggegeben? Dann fiel ihr ein, dass er seit jeher überflüssige Dinge in einem der großen Kellerräume gebunkert hatte.
    »Also gehe ich eben in den Keller«, seufzte sie leise, obwohl sich alles in ihr dagegen sträubte. Den hatte sie schon früher gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Denn das Haus stammte aus den Zwanziger jähren und besaß ausgedehnte Gewölbe, die zum Teil bis zur nahen Jamaica Bay reichten und die sie als unheimlich empfand. Warum der Erbauer die Gewölbe angelegt hatte, wusste niemand mehr. Aber als Kind hatte sie dort unten hin und wieder huschende Schatten bemerkt. Bis heute war sie sicher, dass diese nicht nur ihrer blühenden Fantasie entsprungen waren.
    Wendy öffnete die Kellertür. Zu ihrer Verwunderung brannte Licht. Wie schon früher schaffte es die trübe Funzel nicht, alle Ecken des vorderen Kellerraums, der mit allerlei Gerümpel angefüllt war, auszuleuchten. Die Frau machte zögernd zwei Schritte auf die steile Treppe zu. Sie schluckte und lauschte nach unten. Außer dem Rauschen des Bluts in ihren Ohren hörte sie nichts.
    Sie nahm allen Mut zusammen.
    »Ist… ist da jemand?«, krächzte sie und erschrak am Echo ihrer eigenen Stimme, das sich leise flüsternd brach. Es klang böse und gefährlich in ihren Ohren.
    Niemand antwortete. Wendy schüttelte den Kopf. Hatte Winghart vergessen, das Licht auszumachen? Sie atmete tief durch und ging nach unten. Der Raum, zu dem sie wollte, lag weiter hinten.
    Als sie auf den Durchgang zuging, verdunkelte sich plötzlich das trübe Licht. Gleichzeitig drang ein leises Fauchen an ihr Ohr.
    Wendy fuhr erschrocken herum. Ihre Augen weiteten sich. Namenloses Grauen ergriff Besitz von ihr, Eiseskälte versteifte ihren Körper.
    Sie hatte es immer gewusst. Die Schatten ihrer Kindheit, es gab sie tatsächlich!
    »Wer… wer bist du?«, krächzte sie, »Tu mir nichts, bitte…« Ihre Zähne schlugen laut, aufeinander, als sich der Schatten statt einer Antwort leicht bewegte. Die Zunge geriet zwischen ihre klappernden Zähne, sie biss sie sich blutig dabei.
    Ein nie gehörter Laut der Gier ertönte. Der Schatten verdoppelte seine Größe und sprang sie an. Wendy riss ihre Arme zur Abwehr hoch. Sie schrie und schrie und schrie…
    ***
    Es ist einfach ungerecht. Manche haben so viel Glück im Leben. Und was kriege ich ab? Das ganze Pech. Was soll ich jetzt bloß machen? Mrs. Kim Curtis haderte mit dem Schicksal und zerfloss vor Selbstmitleid. Zwei lieb gewordene Dinge, mit denen sie sich Stunden lang aufhalten konnte.
    Die ältliche, verhärmte Frau schloss die Tür zu Solomon Wingharts Haus auf und trat ein. Wohl zum letzten Mal. Und das war mehr als schade. Denn der nette, äußerst zuvorkommende und immer höfliche Mister Winghart hatte sie nicht nur großzügig bezahlt, sondern ihr für kommenden Monat sogar noch eine Lohnerhöhung in Aussicht gestellt. »Für Ihre treuen Dienste und Ihre immer zuverlässige Arbeit.« Seine-Worte klangen ihr noch immer im Ohr, sie spürte seinen herzlichen Händedruck, als sei es eben erst passiert.
    Und was soll ich jetzt tun ohne das Geld? Ich hätte es so gut gebrauchen können. Warum muss der Herrgott immer seine Besten so früh zu sich holen, warum? Es ist so ungerecht. Meinen
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