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0833 - Verfluchte der See

0833 - Verfluchte der See

Titel: 0833 - Verfluchte der See
Autoren: Christian Schwarz
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mit diesem Titel schmückte sich die alte Hansestadt seit Störtebekers Ergreifung - erwartete den armen Edo Wiemken der nächste Schock. Das prächtig ausgestattete alte Backsteinhaus in der Deichstraße am Nicolaifleet, in dem er mit seinem Auftraggeber verhandelt hatte, erwies sich nun als verlassene Ruine, die nach Auskunft der Nachbarn seit vielen Jahren nicht mehr bewohnt wurde. Zudem kannte niemand einen reichen und angesehenen Kaufmann namens Widzel tom Brook. Zurück am Hafen, war auch die »Seeteufel« plötzlich verschwunden. Die Hafenbehörde versicherte ihm, dass ein Holk dieses Namens hier niemals angelegt habe. Ernsthaft an seinem Verstand zweifelnd, suchte Edo Wiemken in den Hafenkaschemmen nach Männern seiner Mannschaft. Er fand keinen einzigen.
    Daraufhin verfiel Edo Wiemken vollends dem Alkohol. Vier Jahre nach diesen unheimlichen Ereignissen fand er als Kapitän eines Walfängers sein feuchtes Grab im Atlantik, besessen vom Wahn, ein Geisterschiff namens »Dumme Kuh von Skallingen« verfolgen zu müssen. Die-Verfolgungsjagd endete damit, dass der Walfänger an einem Eisberg zerschellte.
    ***
    Gegenwart
    Fast andächtig beobachtete Jens-Jacob Eschel, wie die Fähre der Wyker Dampfschiff-Reederei beidrehte und im Hafen von Wyk festmachte, begleitet von einem Schwärm schreiender Möwen. Nur wenige Föhr-Besucher verließen das Schiff. Deswegen konnte der junge Mann den Besuch, auf den er so sehnsüchtig gewartet hatte, sofort ausmachen.
    »Moin moin, ihr zwei. Ich hoffe, ihr hattet eine angenehme Reise«, begrüßte er die beiden, mit Rucksäcken und Windjacken ausgerüsteten Ankömmlinge. Jens-Jacob Eschel gestattete sich sogar ein kleines Lächeln, was damit zusammenhängen mochte, dass er zu Hause auf seiner geliebten Nordseeinsel Föhr war. Während des ganzen letzten Semesters hatten ihn Antje Radomski und Roger Noe nur ein einziges Mal das Gesicht verziehen sehen -weil er beim Essen eines Apfels den darin hausenden Wurm mit einem Biss teilte.
    Trotzdem konnten die beiden lebensfrohen Hessen den hünenhaft gewachsenen, strohblonden Prachtfriesen gut leiden. Bei Antje war es neuerdings sogar ein bisschen mehr als das. Seit sie regelmäßig von Jens-Jacob träumte, wusste sie, dass es sie erwischt hatte. Ihr deutlich erhöhter Herzschlag, als er sie in die Arme schloss und drückte, als müsse er einen Ochsen erwürgen, war ein weiterer Beleg dafür: Jens-Jacob war der Mann ihrer Träume.
    »Lass den Mann los. Du quetschst ihn ja zu Tode«, sagte Roger grinsend. »Wir brauchen JJ noch.«
    Jens-Jacob, wegen seiner Anfangsbuchstaben von allen nur JJ genannt, entließ Antje aus seinem Griff. »Tschuldigung«, brummte er und begrüßte Roger ähnlich herzlich und ausgiebig.
    Mit JJs altem Golf fuhren sie nach Boldixum, einem Ortsteil der Inselhauptstadt Wyk. Vor einer lang gezogenen, reetgedeckten Friesenkate aus rotem Backstein, die versteckt hinter Bäumen und Büschen lag, würgte JJ den Motor ab. In diesem Anwesen, das einst ein großer Bauernhof gewesen war, lebten die Escheis seit vielen Generationen. Antje und Roger bekamen je ein Pensionszimmer zugewiesen.
    »He«, protestierte Roger, der mit seinen kurzen, schwarz gelockten Haaren und dem durchtrainierten Körper wie ein Dressman aussah, »ich hatte gehofft, dass du Antje und mich im Doppelzimmer unterbringen würdest.«
    »Das könnte dir so passen«, fauchte Antje den irritiert dreinschauenden Roger an. Die kräftig gebaute, hübsche Frau mit den schulterlangen braunen Haaren wollte nicht, dass JJ einen falschen Eindruck bezüglich ihres Verhältnisses zu Roger bekam. Dabei ging sie vielleicht ein wenig zu heftig zu Werke.
    »He, das war ein Scherz«, verteidigte sich Roger. »Deswegen brauchst du mich nicht gleich wie ein Hai anzufallen.«
    »Hai ist das Stichwort«, mischte sich JJ ein.
    »Bitte?«, fragte Antje irritiert, die gar nichts kapierte.
    »Ich nehme mal an, dass unser lieber JJ vom Grund unseres überraschenden Besuches hier spricht«, gab Roger zurück, der dieses Mal etwas schneller von Begriff war.
    »Stimmt.« JJ nickte gewichtig.
    Doch bevor er mit der Sprache herausrückte, warum er seine beiden Freunde so dringend hierher gebeten hatte, servierte er ihnen erst noch Friesentee samt Friesentorte im gemütlich eingerichteten Wohnzimmer der Escheis.
    »Jetzt hast du uns lange genug auf die Folter gespannt, JJ«, befand Antje, nachdem Torte und Tee bis auf den letzten Krümel beziehungsweise Tropfen vernichtet waren.
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