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082 - Die Zeit der Zwerge

082 - Die Zeit der Zwerge

Titel: 082 - Die Zeit der Zwerge
Autoren: Dämonenkiller
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mir Euer Rachen und Eure Augen verraten, gefällt mir gar nicht. Ihr solltet besser das Bett hüten."
    „Und warum ratet Ihr mir dazu?"
    „In Euch steckt eine Krankheit, die bald zum Durchbruch kommen wird. Habt Ihr Schwindelgefühl? Verspürt Ihr manchmal ein Stechen in der Herzgegend oder in den Seiten? Überkommt Euch unerwartet Übelkeit? Habt Ihr Schweißausbrüche und Schlafstörungen?"
    Der Zöllner wurde blaß. „Einiges von dem, was Ihr aufgezählt habt, macht mir manchmal tatsächlich zu schaffen. Aber wirkliches Unbehagen bereitet mir nur ein gelegentliches Baugrimmen." „Aha, eine Kolik!" sagte ich weise und holte ein kleines Fläschchen aus meinen Ranzen. „Wenn Ihr davon nehmt, werdet Ihr Eure Beschwerden bald los und fühlt Euch nach einer Woche wie neugeboren."
    Ich log nicht, denn die Wirkung dieses probaten Abführmittels würde tatsächlich eine Woche anhalten, und ganz sicherlich würde er sich nach dieser Tortur wie ein neuer Mensch fühlen.
    Er entriß mir das Fläschchen schnell und sagte: „Ihr dürft passieren."
    Ich ritt in Paris ein - bereits zum zweiten Mal in meinen Leben als Michele da Mosto. Als ich vor Jahren zum erstenmal hergekommen war, da waren mir die Sterne wohlgesonnen gewesen; damals hatte ich Nostradamus kennen und verehren gelernt. Ich erinnerte mich oft an seine Weissagungen und war überzeugt, daß jene, die noch nicht eingetreten waren, sich bestimmt irgendwann einmal erfüllen würden. Katharina de Medici, der Königin von Frankreich, hatte er prophezeit, daß ihre drei Söhne alle dereinst den Thron von Frankreich besteigen würden. Der Älteste, Franz II., bestieg mit sechzehn Jahren den Thron und starb ein Jahr später. Als Karl IX. 1560 seine Nachfolge antrat, war er erst zehn Jahre alt; und es drängte sich jedem, der Nostradamus' Weissagung kannte, die Frage auf: Wann würde Heinrich seinem Bruder Karl auf den Thron folgen?
    Obwohl Karl IX. erst zweiundzwanzig war, zweifelte niemand daran, daß seine Tage gezählt waren. Er konnte sich nicht mehr lange halten, auch wenn Katharina alles mögliche versuchte, seinen Thron zu schützen; er wackelte bereits beängstigend. Die Hugenottenkriege, die nun schon seit Jahren tobten, hatten das Land zerrüttet und den Adel in zwei Lager gespalten. Katharina versuchte zu retten, was zu retten war, indem sie ihre Tochter Margarete von Valois mit dem Hugenotten Heinrich von Navarra vermählen wollte. Diese Hochzeit, die für den 24. August, dem Bartholomäustag, angesetzt war, sollte den hugenottischen Adel versöhnen und Ruhe und Ordnung zurückbringen. Ganz Paris stand im Zeichen dieser Hochzeit, die in zwölf Tagen stattfinden sollte. Aber wenn man dem Mann auf der Straße glauben wollte, wurde durch diese Hochzeit nichts besser im Lande, eher im Gegenteil; die sittenstrengen Hugenotten wurden immer dreister, spielten sich jetzt schon als die wahren Herrscher auf und griffen gegen die Lasterhaftigkeit - wie sie die kleinen fleischlichen Freuden der Bürger nannten - hart und streng durch.
    „Das kann nicht gutgehen. Nein, nein. Und ich sage Euch, daß die Königinmutter am allerwenigsten glücklich über diese Entwicklung ist."
    Solche und ähnliche Bemerkungen registrierte ich nur nebenbei.
    Die Nacht senkte sich schnell herab. Die Passanten verschwanden von den Straßen, und jene, die die Dunkelheit anlockte und die sich geduckt an den Hauswänden entlangschlichen, waren mehr als suspekt.
    Ich begann mir Sorgen wegen einer Unterkunft zu machen. Das Zimmergeld für eine Nacht würde ich zur Not zusammenkratzen können, aber was würde die nächste Nacht werden? Insgeheim hoffte ich, daß das Schicksal mir einen Adeligen über den Weg schickte, der sich in der Rue du Val d'amour eine Kavalierskrankheit geholt hatte. Darauf verstand ich mich seit meiner Tätigkeit bei den de Medici in Florenz. Doch das wäre zu schön um wahr zu sein.
    Ich überquerte den Place de Greve vor dem Rathaus, auf dem die öffentlichen Hinrichtungen stattfanden. Ein Gehenkter baumelte am Galgen, und sein Anblick machte mich ganz melancholisch. Eine Kutsche ratterte über den Platz, ein Buckliger rannte davon, als sei der Leibhaftige hinter ihm her. Ein Edelmann in Begleitung zweier Diener, von denen ihm einer mit der Laterne leuchtete, während der andere die Hand am Knauf seines Degens liegen hatte, tauchte aus einer schmalen Gasse auf.
    Bald darauf erreichte ich Notre Dame. Der Platz schien auf den ersten Blick verlassen, doch dann sah ich die
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