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0805 - Krallenhand

0805 - Krallenhand

Titel: 0805 - Krallenhand
Autoren: Jason Dark
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Tod gealtert, ohne alt geworden zu sein. Die Gesichter zeigten einen greisenhaften Ausdruck, und aus den Augen war ebenfalls jegliches Leben gewichen.
    Eine Haut, die wie ein Netzwerk wirkte und dabei einen mausgrauen Farbton angenommen hatte. Das war nicht mehr zu erklären.
    »Ihnen fehlt die Seele«, flüsterte Glenda. Sie sprach, als würde sie vor Kälte zittern.
    Ich richtete mich wieder auf. »Weißt du, was das bedeutet, Glenda?«
    »Wahrscheinlich. Sie sind älter geworden.«
    »Nur eine, Vanessa, die Krallenhand. Damit hat sie auch zugeschlagen. Ich habe mir die Hälse der beiden Toten anschauen können. Sie waren durch die Krallenhand gezeichnet, da hatten die hornigen Spitzen blutige Streifen hinterlassen. Das Totengesicht muss sie beide zugleich gepackt haben. Furchtbar.«
    Glenda atmete tief durch. »Dann wissen wir ja, auf was wir uns in Zukunft einzustellen haben.«
    »Nicht auf diese Folgen.«
    »Wie du meinst, John.«
    Für die Toten konnten wir nichts tun, aber für uns. Wichtig war jetzt, dass wir uns auf keinen Fall von ihnen überraschen lassen durften. Ich ging davon aus, dass sie es versuchen würden, und sie hatten auch alle Möglichkeiten, so flach dieser Strand auch war, es gab dort, wo die Dünen anfingen, Verstecke genug.
    Natürlich ließ ich meine Blicke in diese Richtung gleiten. Zu sehen war allerdings nichts. Nur die Dünen selbst lagen wie eine gezeichnete Linie vor meinen Augen. Mal bildeten sie weiche Mulden, dann wieder Buckel, und auf ihnen zitterte das harte Dünengras im Wind. Dahinter lag der Ort. Da wir etwas tiefer standen, war er nicht mehr zu sehen. Nur ein schwacher Lichtschein drängte sich gegen den Himmel, als wäre er ein starres Tuch.
    Das Haus stand wie eine Trutzburg. Ich hatte den Eindruck, als würde es nur an seinem Platz stehen, um der Dunkelheit zu trotzen oder um seine eigene Macht zu zeigen. Das helle Holz der Wände erinnerte mich einmal mehr als bleiches Gebein, das im Laufe der Zeit irgendwann einmal zerbrechen würde.
    Ich blies den Atem in meine Nase. Es war schwer, hier eine Entscheidung zu treffen. Auch Glenda Perkins blieb nachdenklich neben mir stehen. Auf dem Meer, das noch relativ hell war, konnte man auch mit dem bloßen Auge etwas erkennen.
    Und Glenda hatte etwas entdeckt.
    Sie knuffte mich in die Seite und riss mich dabei aus meinen Gedanken hervor. »Was ist denn?«
    »John… ich glaube … da ist es …«
    »Was und wo?«
    Sie fasste nach meiner Hand und drehte den Arm so, dass er in eine bestimmte Richtung wies. Glenda brauchte nichts mehr zu sagen. Ich sah es selbst. Über den Strand, gar nicht mal weit von den auslaufenden Wellen entfernt, bewegte sich eine Gestalt.
    Es war Susy Carter!
    ***
    Für einen Moment fiel uns beiden nichts ein, deshalb schwiegen wir auch. Bis Glenda sagte: »Die Kleine geht daher, als wäre nichts geschehen, John. Siehst du das?«
    »Sicher.«
    »Was soll das bedeuten?«
    »Es wird damit gerechnet haben, dass wir es entdecken. Wahrscheinlich will es uns locken.«
    »Lassen wir uns denn locken?«
    »Ja!« Meine Antwort klang bestimmt. »Wir werden uns mit Susy beschäftigen.«
    »Vergiss nicht ihre Kräfte.«
    »Keine Angst, daran werde ich schon denken.«
    Uns war beiden nicht sehr wohl ums Herz. Dieser Fall würde in die entscheidende Phase einlaufen, das stand für mich fest. Weder Vanessa noch Susy konnten aufgeben. Sie mussten einfach eine Entscheidung herbeiführen. Nicht grundlos waren sie Geschöpfe aus dem Grenzland, pendelten zwischen Mensch und Dämon.
    Susy ging weiter, als wäre nichts geschehen. Glenda und ich rutschten die letzte Strecke der sandigen Böschung hinab und störten uns auch nicht daran, dass dies nicht lautlos ablief. Es war wie bei einem Theaterstück. Der letzte Akt begann, einige der Akteure waren bereits auf der Bühne, aber noch wartete jemand auf seinen Auftritt.
    In der Nähe des Wassers erwischte uns der Wind stärker. Er blies gegen unsere Gesichter, erbrachte Sprüh mit. Die Feuchtigkeit umgab uns wie ein unsichtbares Leichenhemd.
    Der Sand war schwer und nass. Jeder Tritt hinterließ darin eine tiefe Spur.
    Das alles schien Susy Carter nicht zu stören. Sie ging weiter und schlenkerte dabei mit den Armen. Ein völlig normales Kind, gesehen auf die Distanz, aber wehe, es näherte sich jemand diesem Geschöpf, dann würde er erfahren, wie grausam es sein konnte.
    Natürlich dachte ich über das Totengesicht nach. Aber die Gestalt mit der Krallenhand ließ sich nicht
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